denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Das (Alp)traum-Alter

Keine Angst vor Teenagern

Die Zeit der Jugend als Chance sehen

„Ein Zeitraum der Möglichkeiten“, so könnte man den englischen Originaltitel des Buches („Age of Opportunity“) übersetzen, und dies möchte der Autor auch in erster Linie vermitteln: Die Zeit der Jugend sei eben nicht – wie der deutsche Titel suggeriert und uns die Kultur glauben machen will, ein „Alptraum-Alter“, sondern eine Zeit der Möglichkeiten und Chancen. Der Autor stellt fest, dass wir zwar grundsätzlich glauben, dass das Wort Gottes eine verändernde Kraft habe, aber oft nicht, dass dies bei einem Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren funktioniere. Ohne Frage finde im Leben junger Menschen ein Kampf statt. Dies sei aber nicht eine Art biologischer Kampf, sondern ein harter geistlicher Kampf um das Herz. – Wir haben hier einige weitere Thesen zusammengefasst.

Die Bibel warnt uns, dass das Leben alles andere als ein Urlaubsort ist. Es ist ein Krieg, der auf dem Gebiet des Herzens ausgetragen wird. Dabei geht es auch um die Herrschaft über die Seele. So gibt es Versuchungen, die die Teenager glauben machen wollen, dass Identität, Sinn und Ziel des Lebens im Geschöpf und nicht im Schöpfer zu finden seien. Wenn man Teenager fragt, was sie vom Leben erwarten, werden die meisten antworten, dass sie einfach nur glücklich und zufrieden sein wollen. Beängstigend daran ist nicht nur ihre sich fast stündlich verändernde Definition von „Glück“, sondern auch manchmal die Tatsache, dass sie über ihr eigenes Vergnügen hinaus kein höheres Ziel vor Augen haben. Teenager neigen zum Teil auch stärker zur Beschäftigung mit sich selbst und ihren eigenen Interessen, als dass sie andere wahrnehmen und wertschätzen. Bei der Konfrontation damit sollten wir einfach glauben, dass Jesus gekommen ist, um jeden von uns von den Begierden der sündigen Natur zu befreien, damit wir ihm allein dienen können. Das gilt auch für die Jugendlichen. Deshalb sollten wir sie aus dem Blickwinkel der Chancen und nicht der Angst und Furcht sehen. Wesentlich ist auch, dass die Erzieher jeden Tag im Einklang damit leben, was Gott möchte. So kann den Teenagern dann auch glaubhafter vermittelt werden, dass es immer ein höheres Ziel gibt als das eigene Glück, größere, bedeutendere Zusammenhänge als die augenblicklichen.

Die inneren Kämpfe können z.B. zum Rahmen werden, in dem biblische Fragen besprochen, angewendet und verinnerlicht werden. So bieten sich Themen an wie die Entdeckung und der verantwortliche Umgang mit Gaben; Autorität, Wahrheit und Lüge, Weisheit und Torheit, Gesetz und Gnade, Säen und Ernten, Sündenbekenntnis, Umkehr, Vergebung, das menschliche Herz, Gottes Handeln, die Hilfe des Herrn, biblisch begründete Beziehungen, geistlicher Kampf, Disziplin, Selbstkontrolle, Zufriedenheit, Treue, Vertrauenswürdigkeit; die Welt, das Fleisch und der Teufel; Verantwortung und Rechenschaft, biblische Prioritäten usw.

Eigentlich gibt es nur zwei Arten zu leben, und zwar 1. indem man Gott vertraut und sich seinem Willen und seiner Herrschaft beugt oder 2. indem man versucht, selbst Gott zu sein. Als Sünder beherrschen wir die zweite Möglichkeit besser als die erste. Der selbstgenügsame, selbstgeschaffene Individualismus des westlichen Kulturkreises, in dem wir uns bewegen, ist der Bibel jedoch fremd. Das Ziel des Lebens besteht nämlich nicht darin, ein gesundes Individuum zu sein, sondern eine Persönlichkeit, die Gemeinschaft lebt mit anderen Menschen, die wiederum in Gemeinschaft mit Gott leben. Sündern gelingt das Leben in der Gemeinschaft weniger gut. Von ihrem Wesen her sind sie auf sich selbst ausgerichtet. Sünde ist ein Produkt der Selbstanbetung. Deshalb werden sündige Kinder in einer gefallenen Welt mit dem Plan Gottes für ein Leben in Gemeinschaft kämpfen. Die höhere Absicht aber ist der Wille Gottes, und das höhere Ziel ist ein Leben, das ihm gefällt. Das bedeutet, dass er die Mitte und die Ursache unseres ganzen Handelns sein soll und nicht wir selbst und unser Glück.

Weiterhin ist es wichtig, den Jugendlichen Weisheit zu vermitteln und dabei auch weise mit ihnen umzugehen. Dafür sollte man sich Zeit nehmen, denn damit sagt man: „Du bist wichtig, und das, was Gott sagt, ist wichtig. Deshalb bin ich bereit, genug Zeit zu investieren.“ Auch ist daran zu denken, dass Weisheit zu vermitteln nicht bedeutet, den Teenager mit der verbalen Keule niederzuschlagen, sondern etwas sehr Zentrales zu tun. Deshalb sollte man dem Teenager nicht Gelegenheit geben, die verbreitete negative Sichtweise von Korrektur bestätigt zu finden. Man wird dafür jene Art von Selbstbeherrschung brauchen, die einem nur der Heilige Geist geben kann, und die Kraft, die nur Gott verleihen kann.

Da Jugendliche nicht immer gute Zuhörer sind, sollten schwierigere Gespräche interessant und prägnant sein. Langwierige Schilderungen und die Glorifizierung der (eigenen) Vergangenheit sind da oft kontraproduktiv. Der Schwerpunkt darf auch nicht auf Äußerlichkeiten gelegt werden, da Gott mehr will, als diese zu verändern; es geht um die Einstellung des Herzens. Das sollte auch bei den von manchen Jugendlichen so geliebten Grenzdiskussionen beachtet werden. Menschen sind Ausleger, und ihre Reaktion auf das Leben beruht nicht auf Tatsachen, sondern auf der Bedeutung, die sie diesen Tatsachen geben. Das trifft auch für Teenager zu. Nach der Bibel sind Menschen aber nicht nur Ausleger, sondern sie sagt auch, dass wir die Offenbarung Gottes, seine Wahrheit, brauchen, um das Leben richtig zu deuten bzw. auszulegen. Dies zu beachten, hilft uns auch bei den Gesprächen mit Jugendlichen.

Wenn es gelingt, das Verhalten eines Teenagers zu lenken, dieser aber sein Herz nicht Gott gegeben hat, ist das bestenfalls ein kurzfristiger Sieg. Sobald er sich nämlich nicht mehr unter dem Einfluss der Erziehungsberechtigten befindet, wird sein Handeln von den wahren Motiven seines Herzens bestimmt sein. Er wird nicht mehr tun, was Recht ist, denn dies wurde ihm vorher nur durch elterliche Lenkung von außen her aufgezwungen, ohne dass sein Herz sich veränderte. Da die Methode der ständigen Vorschriften nicht das Herz einbezieht, wird sie versagen. Man sollte also beim Ursprung des falschen Verhaltens, nämlich bei den sündhaften Begierden des Herzens, ansetzen (vgl. 2. Pet 1,4). Auf der Grundlage dieser Herzensbegierden sollte mit den Teenagern gearbeitet werden, sonst werden zwar Schlachten gewonnen, der Krieg aber geht verloren. Alles also, was wir mit den Jugendlichen tun, von der lockeren Begegnung bis hin zu Krisensituationen, sollte von einem umfassenden Engagement für eine Herzensveränderung geprägt sein.

In Bezug auf die „Konzentration auf den geistlichen Kampf“ ist zu beachten, dass für mache Jugendliche das konkret Fassbare wesentlich realer ist als die geistliche Welt. So scheint es, dass das gegenwärtig konkret fassbare Glück wichtiger ist als Ewigkeitswerte. Damit einher geht der Eindruck von der Beständigkeit der materiellen Welt. Wenn Jugendliche im geistlichen Kampf die Oberhand gewinnen wollen, müssen sie verstehen, dass es eine geistliche Welt gibt, in der ein Krieg stattfindet, sie müssen den Feind kennen und die entsprechenden Waffen zu gebrauchen lernen. Dann sollte deutlich werden, dass Gott, seine Gegenwart, sein Wille und seine Herrlichkeit der Grund für das Handeln eines gläubigen Menschen sind. Das einzige Motiv eines Lebens besteht darin, dem Herrn zu gefallen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist noch, Autoritäten anzuerkennen.

Die Jugendlichen müssen zunehmend in der Lage sein, ihr kulturelles Umfeld zu verstehen, um ihm nicht zum Opfer zu fallen. Um das Wesen von Kultur sowie ihre Macht und ihren Einfluss verstehen zu lernen, sollte ein biblisch orientierter Plan für den Umgang damit entwickelt werden. Pure Abschottung und Verbote helfen da genauso wenig weiter wie unreflektiertes Mitmachen. Die Jugendlichen sollten dafür in der Wahrheit ausgebildet und im analytischen Denken geschult werden.

Wörtlich schreibt der Autor: „Fassen wir drei Ziele unserer Erziehungsarbeit noch einmal kurz zusammen: Die Ziele unserer Erziehungsarbeit bestehen darin, uns von Gott gebrauchen zu lassen, damit unsere Teenager 1. verständig handeln und Gutes tun, 2. ein präzises Verständnis für ihre aktuelle Lebenssituation entwickeln und 3. ein gottgemäßes Leben führen, indem wir ihnen helfen, ihre eigene Sünde aufzuspüren und zu hassen. Das alles soll geschehen in einer Haltung der Demut und der Erkenntnis, dass diese Ziele auch für unser eigenes Leben gelten. Wir dürfen an das Projekt Erziehungsarbeit nicht wie Richter herangehen, in der Meinung, wir hätten alle unsere eigenen Probleme bereits gelöst, sondern vielmehr mit der Erkenntnis unserer eigenen Sünde und dem Bewusstsein, dass wir ständig die Hilfe Christi brauchen.“ Und: „Jugendliche leben in einer gefallenen Welt, in einer Familie mit Sündern, die noch nicht vollständig geheiligt sind.“

Der Autor verfasste dieses Buch als Resultat seines langjährigen Dienstes im Bereich der Familienseelsorge. Es ist leicht verständlich und anschaulich geschrieben. Nach dem darstellenden Teil (227 Seiten) ist auf 55 Seiten ein sogenannter „Leitfaden“ abgedruckt. Er fasst die wesentlichen Aussagen der Kapitel zusammen und „soll dabei helfen, sich selbst und Ihren Teenager besser kennen zu lernen. Das darin enthaltene Material soll Ihnen auch praktische Tipps geben für ihre Rolle bei dem, was Gott im Leben Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter tut“ (S. 230).

Die Lektüre dieses Buches kann empfohlen werden, da es viele Gedankenanstöße und Hilfen gibt. Stilistisch ist es leider wesentlich schwächer als das des gleichen Autors über Krieg der Worte (vgl. komm und sieh 9, S. 26). So werden einige Gedanken an unterschiedlichen Stellen des Buches mehrmals wiederholt, und in vielen Sätzen auf vielen Seiten ist ständig die Rede von „man muss“, obwohl das mit der Gesamtbotschaft eigentlich nicht korrespondiert. Der empfohlene Kommunikationsstil mag zum Teil mit der amerikanischen Kultur zusammenhängen. Bei uns könnte er sich als etwas zu direkt bzw. aufdringlich herausstellen und somit nicht unbedingt der Weisheitsmaxime entsprechen.

Wenn hier eine Menge an Vorschlägen ausdrücklich an Eltern gerichtet werden, so erscheint es sinnvoll, diese auch auf das Umfeld bzw. die Gemeinde auszudehnen, denn dem aufgezeigten breiten Spektrum können Eltern allein sicherlich nicht ausreichend gerecht werden. Alles in allem also eine hilfreiche Lektüre.

 

 

 

 

 

Ted Tripp: Das (Alp)traum-Alter. Friedberg (3L Verlag) 2005, Paperback, 285 Seiten, ISBN 3-935188-20-x, EUR 12,50
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