Alleine der Begriff Einsamkeit ist schon negativ. Was sollte man also – wie der Buchtitel nahelegt – in der Einsamkeit entdecken außer schweren Gedanken oder Ähnlichem?
Peter Strauch (geboren 1943) war mehreren Gemeinden in unterschiedlichen Funktionen sowie als Buchautor, Verfasser und Komponist von Liedern tätig. Anfang der 1980er Jahre geriet er in eine körperliche und seelische Krise, die auch zu einer geistlichen Krise wurde. Zentrale und existenzielle Probleme des Christseins wurden für ihn bedeutend. Im Buch, das damals anhand von Tagebucheintragungen (in der Einsamkeit an der Holländischen Küste) entstand und 2007 in der Hänssler-Reihe „Klassiker der Glaubens“ neu aufgelegt wurde, spiegelt sich die heilende Therapie Gottes für ihn wider. Er notiert also seine Erfahrungen als exemplarischen, zeugnishaften Bericht und möchte zeigen, wie Jesus Christus die wunden Stellen bei ihm aufdeckte und heilte.
Zunächst schreibt er, wie er um erleuchtete Augen des Herzens bat, um einen Blick für Christus, seine Macht und seine Zukunft zu bekommen. Er wollte wegkommen von der Einengung des Glaubens auf abstrakte und gedankliche Richtigkeit. Darauf gab ihm Gott eine wachsende Erkenntnis der geistlichen Wirklichkeit und langsam ein neues Bewusstsein seiner Nähe. „Nur langsam wurden die inneren Augen geöffnet für die Wirklichkeit des Glaubens. Jesus wartet darauf, dass wir ihm unsere Hilflosigkeit eingestehen“. Diese offenen Augen sahen dann nicht das, was er erwartet hatte – ihm wurde nicht eine neue Wirklichkeit und ein neuer Weg gezeigt, sondern Strauch wurde auf die alten biblischen Wahrheiten gestoßen, die dann sein Herz trafen, wozu z.B. gehört, dass ein Christ ein Eigentum Jesu ist. Und da Christen keine Marionetten Gottes sind, sondern Persönlichkeiten, die er lieb hat, wartet Gott darauf, dass wir ihn lieben und uns ihm aus Liebe zur Verfügung stellen. Weiterhin machte Gott ihm bewusst, dass allein Ihm die Ehre gehört und sonst niemandem –
Strauch hatte nach eigener Aussage beim Stichwort „Hingabe an Christus“ zu viel sich und seine eigenen Anstrengungen im Blick gehabt. So musste der Herr Jesus ihm seine Ohnmacht zeigen, da das Bewusstsein der eigenen Ohnmacht die entscheidende Voraussetzung für die Entfaltung von Gottes Macht sei: „Nach meiner Erfahrung ist dies die wirkungsvollste Entspannung, die es gibt. Auch an jenem Morgen begann ich ruhig zu werden bei dem Gedanken, dass nicht ich für meine Zukunft verantwortlich bin, sondern Christus. Ich habe mein Leben nicht mit seiner Hilfe zu meistern, sondern er meistert es, wenn ich ihm vertraue und in ihm bleibe. Das ist Glaube.“ Es gebe also keinen anderen Weg, um geistliche Frucht wachsen zu lassen, außer in ihm zu bleiben (vgl. Joh 15,4).
Als seinen ersten Feind bezeichnet er nun seinen eigenen Unglauben, nämlich in dem Sinn, dass er nicht seine ganze Existenz in die Hand Gottes gelegt habe, sondern im vermeintlichen Schutzraum seiner eigenen Berechnungen und Sicherheiten geblieben sei. „Ich arbeitete für Christus, statt ihn durch mich arbeiten zu lassen. Dass Jesus Christus selbst in mir stark sein wollte, wenn ich nur den Mut hätte, schwach zu sein und mich ihm ganz zu überlassen, hatte ich nicht richtig begriffen.“ Sein zweiter Feind sei seine Ichsucht gewesen: „Nicht nur die bösen Taten sind Sünde, sondern auch die guten Taten, die nicht aus dem Glauben geboren werden.“
Als weiteres Problem nennt er unvergebene Schuld. Er ist der Überzeugung, dass diese der Auslöser für viele Probleme sein kann, mit denen sich Christen herumschlagen: „Ich bin nicht sicher, ob wir diese verborgenen Fesseln im Blick haben … Es kann durchaus möglich sein, dass die Ursachen für Erschöpfung, Niedergeschlagenheit oder Mutlosigkeit hier zu finden sind.“ Und: „Es ist keine Frage, dass Gott Sünde ernst nimmt. Er nimmt sie so ernst, dass er seinen Sohn dafür sterben ließ. Also müssen auch wir sie ernst nehmen“. Deshalb müsste dieses Thema unbedingt aktiv angegangen werden, was er auch persönlich tat.
Strauch hatte um mehr Liebe zu Jesu und für eine größere Empfindsamkeit für das Reden des Heiligen Geistes gebetet. Auch hatte er sich gewünscht, dass sein Leben Wirkungen der Kraft Gottes aufweise und zu einem Segen für andere werde. In der ruhigen Umgebung in Holland machte er dann keine spektakulären Erfahrungen, aber ihm wurde hörende Stille als Grundbedingung. Unter dieser Voraussetzung sprach Gott durch seinen Heiligen Geist: „Und ich verstand ihn. Er weckte in mir den Wunsch nach einem erfüllten geistlichen Leben. Er sprach von Hingabe und von Heiligung und er deckte Sünde auf, damit meine inneren Augen sein Licht aufnehmen konnten.“ Weil Gott unser Herz wolle und nicht nur ein bisschen Denken oder Gefühl, weil er unsere Liebe wolle, deshalb müsse jeder Konkurrent dieser Liebe aufgegeben werden, seien es Musikalität, praktische oder intellektuelle Fähigkeiten. Durch alles dies sei schon so mancher vom Glauben abgekommen. „Aber dann deckte er Dinge auf, die ich loszulassen hatte. Alles, was mich hinderte, ihn von ganzem Herzen zu lieben, war aufzugeben. Auch mein Geld gehörte dazu ... Er wollte, dass ich mich von allen Bindungen löse, um endlich seine grenzenlose Liebe zu erfahren.“
Als er den Herrn Jesus weiter bat, ihm mehr von den verborgenen Antriebskräften und Verweigerungsmechanismen seines Lebens zu zeigen, war das Ergebnis für ihn erschreckend. Ihm wurde klar, wie viel dienstliche Nächstenliebe und wie wenig echte Liebe in seinem Leben zu finden war. Diese verborgenen Beweggründe waren ihm vorher nicht bewusst gewesen und erst in der Einsamkeit ans Licht getreten. Ihm wurde deutlich, dass wirkliche Liebe sich loslässt und ganz für den anderen öffnet. Sie fragt nicht ständig nach den Wirkungen ihres Tuns und fürchtet nicht die Blamage. Auch in diesem Zusammenhang gelte, was Johannes schreibt: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1. Joh 4,18). Die Liebe kalkuliere also nicht, sondern sie sei frei von den Berechnungen ihres Tuns.
Als wesentliche Entdeckung seiner Zeit in Holland gibt Strauch an, dass er mit seinen vielen frommen Terminen Selbstbestätigung verband, was ihm so aber vorher nicht bewusst gewesen sei. Als bei ihm die vielen Termine und Aktionen zugenommen hätten, habe er Zeit bei seiner persönlichen Stille mit Gott abzweigen müssen. Andererseits habe er aber diese Stille gebraucht, um zu hören, aufzunehmen und schließlich aktiv sein zu können. So sei sein Lebensrhythmus mehr und mehr überdreht worden, was letztlich der Auslöser für die Krise gewesen sei. Für ihn habe dann festgestanden, dass Gott uns mit Absicht ein begrenztes Maß an Zeit und Kraft gegeben habe: „Wenn dieses Maß von ihm stammt, habe ich kein Recht, es ständig zu überschreiten“. So habe er langsam gelernt, dass Gott einen nicht in ein Bild oder eine Rolle pressen wolle. Er schaffe sich Persönlichkeiten, die sich nicht an Terminfragen und den Erwartungen ihrer Umwelt orientierten, sondern allein an ihm. Die Orientierungspunkte lägen letztlich nicht mehr beim Menschen und auch nicht im eigenen Kopf, sondern beim Herrn Jesus. So betete er um eine neue Gestaltung seines ganzen Lebens. Die Folge war z.B., dass er bei Terminanfragen keine Spontanzusagen mehr gab, sondern sie zuerst mit Gott besprach.
Insgesamt waren die Holland-Erfahrungen nicht so linear, wie man aus obiger Beschreibung den Eindruck bekommen könnte. Strauch bezeichnet diese Zeit aber als wichtigen Wachstumsprozess für sich, der ihn näher zum Herrn gebracht habe und gerade zu diesem Zeitpunkt seines routinierten und hektischen Lebens notwendig gewesen sei. Weiterhin legt er besonderen Wert auf die Bedeutung der Bibel für diesen Prozess (wobei einige Formulierungen eher unglücklich sind, da sie die Autorität der ganzen Bibel etwas zu relativieren scheinen.) Und: Worauf es ankommt, „ist die Offenheit und Hörbereitschaft für Gottes Führung … Gott führt durch sein Wort, durch hörendes Beten, durch andere Menschen … Aber wenn ich unsere Praxis sehe, habe ich den Eindruck, wir habe die Reihenfolge auf den Kopf gestellt. Wir hören auf unsere Vernunft, entscheiden meist nach vernünftigen Gesichtspunkten und ordnen dann dem Wort Gottes und dem Gebet nur noch eine flankierende Rolle zu“. Weiterhin betont er in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Heiligen Geistes beim Führen er Gläubigen.
Der Autor kommt zu dem Resümee: „Glauben ist also nicht Leistung, sondern vertrauensvolles Ruhen in Gott. Im Bewusstsein der Gegenwart Gottes entspanne ich mich. Die Stärke biblischer Glaubensmänner lag nicht in der guten Figur, die sie als Väter, Führer oder Könige machten, sondern allein in der Tatsache, dass sie ihr ganzes Vertrauen auf Gott setzten. Meine Begabungen und Leistungen müssen nicht mehr die Erfolgsfaktoren sein, sondern die Gnade Gottes ist es und die Kraft seines Heiligen Geistes. Wer mich heute fragt, was die Zeit in Holland letztlich für mich bedeutet hat, dem antworte ich mit diesem Bild. Gott musste meine Aktionen und Programme abschneiden, damit ich im Verborgenen wachsen konnte. Erst in der Einsamkeit entdeckte ich neu die Liebe, Kraft und Größe Gottes. Unser geistliches Leben in der Öffentlichkeit pulsiert aus unserem geistlichen Leben in der Verborgenheit und nicht umgekehrt. Wir werden als Christen in der Öffentlichkeit nie mehr sein können, als wir im Verborgenen sind ... Es gibt nur eine Quelle für reales geistliches Leben. Diese Quelle heißt Jesus. Er ist da, wo du gerade bist. Und er hat die unterschiedlichsten Wege, auch Ihnen zu begegnen und zu Ihnen zu reden.“
Jochen Klein
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