denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Glaube – un-glaub-lich?

Wir leben in einer gläubigen Gesellschaft. Ob wir es glauben oder nicht. Weite Teile unserer Kultur sind dadurch geprägt, dass Menschen glauben – und das in vielfältiger Hinsicht. Ein verbreiteter Glaubenssatz ist z.B., dass das Gefühl oder auch die Vernunft der absolute Maßstab für Denken und Handeln sei. Viele glauben an die Erklärungen des Evolutionismus und Millionen sind dem Glauben an den Nationalsozialismus oder den Sozialismus zum Opfer gefallen. Menschen, die an den Fortschritt der Menschheit glaubten, sind spätestens durch die beiden Weltkriege desillusioniert worden. Und so mancher glaubt den wilden Theorien der Psychoanalyse Sigmund Freuds oder sogar daran, dass man durch eine Entscheidung sein Geschlecht ändern kann. Andere glauben an die angebliche Relativität jeglicher Bedeutung.

Christentumsfeindliche Bewegungen konstruieren bei diesem Thema oft einen Gegensatz von Glauben und Wissenschaft. Die Gegner sind dann die „Wissenden“ und die Christen die angeblich „nur Glaubenden“. Wegen der weitreichenden Konsequenzen dieser Behauptung trägt das Buch von John Lennox Kosmos ohne Gott, das trotz seiner fast 500 Seiten als übersichtliches Kompendium seiner zentralen Botschaft gelten kann, den programmatischen Untertitel Warum Glaube und Wissenschaft zusammengehören. Das Ergebnis ist, so simpel es auch sein mag, dass es Wissenschaftler gibt, die an den Gott der Bibel glauben, und solche, die an andere Weltanschauungen glauben. Leider verlassen die Gegner des Christentums oft die wissenschaftliche Methode und betiteln ihre Weltanschauung als wissenschaftlich und das Christentum als per se unwissenschaftlich.

Ein Hauptproblem dabei ist der sogenannte „Szientismus“, eine überhöhte Bedeutung von „Wissenschaft“, die nicht selten in deren Missbrauch mündet. Er findet dann statt, wenn Wissenschaft sich nicht darauf beschränkt, Tatsachen zu entdecken, sondern sich anmaßt, Normen vorzugeben. Dabei soll nicht bestritten werden, dass Normen wichtig sind, aber es ist in der Regel nicht Aufgabe der Wissenschaft, diese festzulegen (von Grenzbereichen bei Messungen und Daten einmal abgesehen). Sie überschreitet dann die Trennlinie zwischen dem Aufdecken dessen, was der Fall ist, und dem Vorschreiben dessen, was der Fall sein soll. Wissenschaft in ein politisches Programm zur Steuerung des Lebens der Menschen umzuformen führt oft genug in den Totalitarismus, nämlich zu einer unbeschränkten Regelung des Lebens, die durch angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse gerechtfertigt wird. Dabei arbeiten Wissenschaftler, Politiker und Medienschaffende fast immer zusammen. Der Szientismus wendet also die naturwissenschaftliche Methode auch auf das menschliche Denken und Handeln an. Mit dem unsinnigen Motto „der Wissenschaft folgen“ drücken Wissenschaftler so der Gesellschaft bestimmte politische Ziele auf. Im Namen von Wissenschaft werden den Menschen zum Teil völlig absurde Dinge aufgezwungen, die sonst niemand tun würde. So erklärte der Kommunismus sich in seinem Herrschaftsbereich zur einzigen „wissenschaftlichen Weltanschauung“. Hier wurde also die Einheitsmeinung als wissenschaftlich etikettiert. Auch der Glaube an manche andere Ideologie, die sich als „wissenschaftlich“ oder „fortschrittlich“ ausgibt, hat zum Teil gravierende Konsequenzen (gehabt).

Wir sehen also, dass die Gesellschaft von vielen Glaubenssystemen bestimmt ist. Das zu verstehen ist für unseren Alltag als Christen zentral. Kommt es zu Dialogen oder auch einmal zu Konfrontationen in Bezug auf den Glauben, sollten wir zunächst einmal klären, was das Glaubenssystem des anderen ist, und ihm dies ggf. auch bewusst machen. Der nächste Schritt kann dann sein, die biblische Dimension von Glauben zu vermitteln und zu zeigen, dass der biblische Glaube aus vielen Gründen der richtige ist – und dass er auch keinesfalls irrational ist. Die Elemente der Sünde, der Sehnsucht nach Erlösung und Vergebung können dabei lebensweltlich verbunden und ihre Relevanz kann aufgezeigt werden. Dabei muss aber die Tatsache des Sterbens Christi und seiner Auferstehung – die übrigens von vielen Zeugen bestätigt wurde – zentral sein.

Jochen Klein

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