Wer hätte das gedacht? Die Menschen in Nigeria sind – laut einer Erhebung der Glücksforschung – die glücklichsten auf der Welt. Und das, obwohl Teile der Hauptstadt Lagos in den Händen mordgieriger Banden sind, die Regierung zu den korruptesten weltweit zählt, sechs Prozent der Bevölkerung an Aids erkrankt sind und jedes zehnte Baby vor seinem ersten Geburtstag stirbt.
Und in den westlichen Industrieländern? Dort werden immer mehr Depressionserkrankungen und stressbedingte Krankheiten festgestellt. Obwohl sich der materielle Lebensstandard in den letzten fünf Jahrzehnten verzwei- bis verdreifacht hat, hat seit dieser Zeit der Anteil der Bevölkerung, der sich als glücklich bezeichnet, nicht weiter zugenommen. Trotz der Tatsache, dass der Gesundheitszustand, die Lebenserwartung, die Bildungschancen, die Mobilität sowie die Sicherheit des durchschnittlichen Menschen der westlichen Welt auf einem historischen Höchststand sind.
Dass sich die Menschen schlechter fühlen, während die äußeren Bedingungen besser werden, kann daran liegen – so die Theorie des amerikanischen Autors Gregg Easterbrook –, dass viele Menschen ihre Lage nicht nach dem Stand der Dinge, sondern auf der Grundlage ihrer Hoffnungen oder Ängste beurteilen. So erklärt bei vielen Meinungsumfragen zurzeit die Mehrheit, die Eltern hätten es zu ihrer Zeit besser gehabt und die eigenen Kinder würden wohl in einer noch schlechteren Gesellschaft aufwachsen müssen. Während die Nachkriegsgeneration berechtigte Hoffnungen darauf haben konnte, dass sich die Lebensbedingungen für ihre Kinder verbessern würden, ist im Moment unklar, was die Zukunft noch mehr bringen kann. Hinzu kommt die Angst vor äußeren und inneren Bedrohungen und die Befürchtung, dass sich der Wohlstand auf Dauer so nicht aufrechterhalten lässt.
Eine Begebenheit, wo jemand trotz ungünstiger äußerer Umstände glücklich zu sein schien, trug sich in der griechischen Stadt Philippi im 1. Jahrhundert n. Chr. zu. Paulus und sein Begleiter Silas saßen um Mitternacht im innersten Gefängnis, die Füße fest in einem Holzblock, und priesen Gott mit Lobliedern. Dies ist deshalb verwunderlich, weil zuvor bei einem Missionseinsatz ein Aufruhr gegen sie entstanden war, dann wurden sie mit Ruten geschlagen und schließlich ins Gefängnis geworfen. Hinzu kam noch, dass es nicht ihre eigene Idee gewesen war, hierhin zu gehen, sondern dass sie von Gott gesandt worden waren, um das Evangelium zu verkündigen. Wie kam es nun zu den Lobgesängen um Mitternacht? Im Brief an die Philipper macht Paulus einige Zeit später darüber einiges deutlich. Paulus schrieb diesen Brief in der Zeit einer längeren Haft. Sein Prozess konnte mit einem Todesurteil enden. Trotzdem ist der Brief durchzogen von einem Ton der Freude und der Ermunterung: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch! Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe. Seid um nicht besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus. Im Übrigen, alles, was wahr, alles, was würdig, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was lieblich ist, alles, was wohllautet, wenn es irgendeine Tugend und wenn es irgendein Lob gibt, dies erwägt. Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dies tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (Phil 4,4–9).
Die Nähe Gottes, die innige Beziehung zu ihm im Gebet und die Ausführung seines Willens sind also der Schlüssel zum Erreichen der Freude – auch in schwierigen Situationen. Aus anderen Stellen wird deutlich, dass es für Paulus auch ein Grund zur Freude war, wenn er bei anderen geistliches Wachstum feststellen konnte. Und sogar aus den Leiden um Christi willen kann Freude entstehen, da diese vom Herrn kommt und nicht aus uns selbst ist. Schließlich ist die Freude eine Frucht des Heiligen Geistes (vgl. Gal 5,22).
Insgesamt ist Freude im Alten und Neuen Testament ein Kennzeichen des Glaubenden und der ganzen Gemeinde. Sie ist nicht nur ein Gefühl, sondern das Bewusstsein der Geborgenheit bei Gott, das sich auf seine Zusage gründet und seine Nähe erfährt. Sie charakterisiert das irdische Leben eines Christen und nimmt die Freude des ewigen Lebens mit Christus im Himmel vorweg.
Dass es gefährlich sein kann, subjektives Glücksempfinden als Ziel zu haben, zeigt auch das Beispiel Nigeria. Reuben Abati, ein Journalist der führenden Hauptstadtzeitung Guardian, meint, das Geheimnis des Glücks seiner unerschütterlich glücklichen Landsleute sei womöglich die Gelassenheit, die sich einstellt, wenn ein Menschenleben nichts mehr zählt.
Die Freude eines Christen sollte mehr sein als ein Glücksempfinden, da sie aus seiner Beziehung zu dem Herrn Jesus resultiert und so tiefgehender, echter und bleibender ist. „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überreich seid in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13).
Jochen Klein
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