denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Kritisches zu Information und Manipulation

Im Artikel Kritisches zur Postmoderne[1] sahen wir u.a., wie die Maßstäbe für richtig und falsch erodiert und relativiert worden sind. Diesmal soll es konkreter um die Folgen, besonders beim Thema Information[2] gehen.

1. Postfaktisch

Schon die berühmte Pilatus-Frage lautete: „Was ist Wahrheit?“, und schon immer hat die Menschen die Frage umgetrieben, was richtige und falsche Informationen sind. So zweifelten die ersten Menschen – veranlasst durch den Satan – das an, was Gott als zentrale Information geboten hatte – mit den bekannten Folgen. Ähnlich erging es auch späteren Menschen oder Völkern, die Gottes Grundsätzen keine oder kaum Beachtung schenkten. Und bis heute wird in Gesellschaft und Politik gelogen, was negative Folgen nach sich zieht.[3]

Dieses Thema ist so zentral, dass auch Zeitungen und Magazine es immer wieder behandeln. So erschien z.B. der Focus 47/2019 unter dem Titel „Die Macht der Manipulation. Wie wir von Fake News und Lügen gesteuert werden“, und der Spiegel hatte in der gleichen Woche den Titel „Im Dienst der Wahrheit. Von Watergate bis Trump: Macht und Tragik der Whistleblower.“

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 4. April 2020 (S. 12) wurde ein in diesem Zusammenhang sehr interessantes Buch rezensiert: Brüchige Wahrheit. Zur Auflösung von Gewissheiten in demokratischen Gesellschaften von Myriam Revault d’Allonnes. Es akzentuiert das Thema etwas anders. Folgendes war in der Rezension u.a. zu lesen: „Wird mit Fakten heutzutage besonders nachlässig oder lügenhaft umgegangen, wird der Wahrheit weniger denn je die Ehre gegeben? Immer mehr Zeitgenossen scheinen den Eindruck zu gewinnen, es verhalte sich so – oder so ähnlich. Die Wörter ‚post-truth‘ und ‚postfaktisch‘ sind in vieler Munde – und vieldeutig. Was hätte sich mit dem Einschnitt geändert, den die Vorsilbe ‚post‘ nachdrücklich, aber undeutlich markiert? Was ist, was wäre grundstürzend anders als ehedem?“ Die Autorin des Buches „lenkt die Aufmerksamkeit der antwortsuchenden Leser ihres Essays auf eine sich breitmachende Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit. Ebendiese Indifferenz erachtet sie für ebenso zeittypisch wie besorgniserregend.“ Wenn der Sinn für die Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch, zwischen Fakten und Fiktion schwinde, verschwinde allmählich auch eine gemeinsame Welt, in der Menschen mit verschiedensten Ansichten und trotz auseinanderstrebender Meinungen koexistieren könnten. Denn: „Wenn Tatsachen – und das in großem Maßstab – ignoriert, verdreht oder geleugnet werden, bleibt dies nicht ohne Folgen. Lassen sich Tatsachenbehauptungen nicht mehr durch ‚Abgleich‘ mit der Realität überprüfen, weil es keine von (potentiell) allen geteilte Wirklichkeit mehr zu geben scheint, werden Tatsachenbehauptungen zu bloßen Meinungsäußerungen“, so der Rezensent Uwe Justus Wenzel. Und: „Ohne einen Vorrat an unstrittigen Tatsachenwahrheiten aber gäbe es keine Anhaltspunkte, um Meinungsstreitigkeiten beizulegen, Kompromisse zu finden oder eigene Urteile mit Gründen zu korrigieren. Eine Gesellschaft ohne einen solchen Vorrat driftete in einen Meinungskampf aller gegen alle ab – der allein durch Machtungleichgewichte entschieden würde“. Die Autorin betone, „dass in liberal-demokratischen Gesellschaften mit ‚Kommunikationsmärkten‘ das Problem nicht die zentral gesteuerte Indoktrination mit einer totalitären Ideologie sei, sondern der allseitige Relativismus sich absolut setzender Meinungen bei zunehmender Abstumpfung des Wahrheitssinns ... Zwar kann auch die Lüge als eine Form dieser Gleichgültigkeit begriffen werden, aber wer lügt, muss die Wahrheit kennen oder zumindest glauben, sie zu kennen. Insofern darf die Wahrheit einem Lügenbold – nolens volens – gerade nicht gleichgültig sein. Anders verhält es sich beim Gleichgültigen: Ist es jemandem schlicht schnuppe, ob eine Behauptung zutrifft oder nicht, solange sie – beispielsweise – dazu verhilft, sich durchzuwursteln oder machtbewusst durchzusetzen, dann muss dieser Jemand auch keine wache Beziehung zur Wahrheit unterhalten.“ Dies wäre dann eine Ausprägung postmodernen Denkens.

Woran kann es liegen, dass diese Entwicklungen in letzter Zeit zuzunehmen scheinen? Im Focus (s.o.) war zu lesen: „Willkommen in der schönen, bunten und aufregenden Ära des Digitalen. Einer Ära, in der Wissen, Bildung und Wahrheit für jedermann jederzeit verfügbar sein sollen. Einer Ära, in der die Menschheit globalen Fortschritt, Freiheit und Toleranz zu finden glaubte. Und die doch auch eine Ära des Betrugs, der Fälschung, der schwarzen Propaganda und einer nie dagewesenen Manipulation der Massen ist … Zur Zerstörung der Wahrheit aber hat das Netz einiges beizutragen. Im digitalen Kosmos verbreiten sich Lügen und Manipulation epidemisch. Sie beeinflussen Wahlen, unterminieren das Vertrauen in Behörden, Parteien und staatliche Ordnungen, sie schüren Zwietracht, soziale Spannungen und Hass … Das Netz ist ein Lügen-Discounter. Identitäten, Kampagnen, Bild- und Textnachrichten – alles lässt sich manipulieren und billig kaufen. Gefälschte IP-Adressen? Automatisierte Facebook-Gruppen? Manipulierte Wikipedia-Beiträge? Alles da. Vor den Algorithmen scheint keine Wahrheit sicher. Videos und Bilder werden heute per KI perfekt gefälscht (deep fake).“

2. Vermüllung unserer Gehirne

Einen anderen Schwerpunkt setzt Maren Urner in ihrem Buch Schluss mit dem täglichen Weltuntergang. Wie wir uns gegen die digitale Vermüllung unserer Gehirne wehren[4]. Sie hat festgestellt, dass die vielen Informationen, die täglich auf uns einströmen, oft nicht gut für uns sind, und schreibt: „Klimaerwärmung, Terror, Flüchtlingskrise, Insektensterben: Wer die Nachrichten verfolgt, bekommt den Eindruck, dass wir alle dem Untergang geweiht sind. Das überfordert uns und lässt uns hilflos zurück … Ungefähr die Hälfte aller befragten US-Amerikaner und Briten gaben in einer Umfrage an, dass sie sich von der Informationsmenge überwältigt fühlen, die es ihnen erlauben soll, ‚up to date‘ zu sein … So zeigt eine Studie, dass diejenigen, die morgens besonders viele negative Nachrichten vorgesetzt bekommen, später weniger effizient arbeiten.“

Als weiteres Problem formuliert sie: Wir geben uns „gerne der Illusion hin, mehrere Aufgaben gleichzeitig lösen zu können und somit effizienter und erfolgreicher zu sein. Doch das Gegenteil ist der Fall, weil sich unser Gehirn immer nur auf eine Sache wirklich konzentrieren kann. Wenn wir meinen, drei Dinge gleichzeitig zu erledigen, betreiben wir also kein Multitasking, sondern eher ein schnelles ‚Taskswitching‘, das heißt, wir springen mit unserer Aufmerksamkeit sehr schnell zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her.“

„Den Wert unserer Aufmerksamkeit haben Online-Unternehmen und somit auch die Medien natürlich längst erkannt … Denn das Internet des 21. Jahrhunderts und die damit verknüpften Geschäftsmodelle basieren längst auf einem Kampf um unsere Aufmerksamkeit. Der hinterlässt zwar keine äußerlichen Wunden und Narben, aber Spuren in unserem Gehirn und unserer Psyche.“

Wir haben uns aber daran gewöhnt, „uns immer und überall ablenken zu lassen. Von Live-Tickern, Status-Updates und Verlinkungen, also von (vermeintlich) neuen Informationen und Nachrichten, die um unsere wichtigste Ressource – unsere Aufmerksamkeit – buhlen. Dabei geht es nicht um bewusste Ablenkung wie Pausen und Unterbrechungen, um uns von einer (anstrengenden) Tätigkeit zu erholen. Eine Ablenkung meint hier eine ungewollte Unterbrechung, die unsere Konzentration stört und uns erschwert, wieder fokussiert zur beabsichtigten Tätigkeit zurückzufinden. So sind wir heute fast dauerhaft abgelenkt und haben am Ende eines Tages häufig das Gefühl, viel gemacht, aber irgendwie nichts geschafft zu haben. Als ‚Homo digitalis‘, der täglich mit Computern und Internet arbeitet und damit oft auch seine Freizeit verbringt, stehen wir vor der Herausforderung, unsere neue Lebensrealität in den Griff zu bekommen, bevor die neuen Technologien uns in den Griff bekommen.“

Das Gefühl, etwas zu verpassen, „hat sogar einen eigenen Namen: FOMO – ‚fear of missing out‘, also die ‚Angst, etwas zu verpassen‘ … Auch wenn FOMO bisher kein anerkanntes Krankheitsbild ist, wird unsere Angst, Dinge zu verpassen, nicht nur von Therapeuten mittlerweile sehr ernst genommen … Bei der Frage nach den Geräten, die den perfekten Nährboden für FOMO bieten, fällt die Antwort nicht schwer. Richtig! Smartphones und Tablets, die uns in jedem Moment vor die Versuchung stellen: eben schnell draufschauen oder nicht?“

Dabei ist auch zu beachten: „Die wildesten Geschichten über Mord und Totschlag, Kriege und Skandale, Ehebrüche und Intrigen verkaufen sich auch knapp 200 Jahre später noch am besten. Und klar ist auch: Wer mit einer Ressource – in diesem Fall mit unserer Aufmerksamkeit – Geld verdienen will, sollte möglichst viel davon sammeln … Die Vorliebe fürs Negative – gemäß dem Slogan ‚Only bad news are good news‘, also ‚Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten‘ – ist in der journalistischen Arbeit weit verbreitet und auch empirisch gut untersucht.“ Das Übermaß an negativer Berichterstattung ist ein Grund „für unser verzerrtes – überall auf der Welt verbreitetes, zu negatives – Weltbild, das nicht der Realität entspricht … Die Ironie der Gesamtsituation könnte kaum offensichtlicher sein: Nie zuvor in der Menschheit hatten wir Zugang zu so vielen Informationen, und dennoch kreiert das schier unbegrenzte Informationsangebot eine Bevölkerung, die ein verzerrtes, zu negatives Weltbild hat. Ein Paradox!“

„Die regelrechte Bombardierung unserer Wahrnehmung durch all die negativen Einzelereignisse auf dieser Welt … sorgt nicht nur dafür, dass wir ein zu negatives Weltbild haben, sondern hat auch weitreichende psychische Folgen … Unsere aktuelle – häufig ungefilterte – Informationswut, in der wir abwechselnd oder am besten gleichzeitig auf mehrere Bildschirme starren, Kopfhörer im Ohr haben und uns durch Websites klicken oder wischen, ist wie eine Sucht. Mit entsprechenden Folgen für unser Gehirn und unsere Psyche … Je mehr Meldungen wir konsumieren, umso extremer sind diese Wirkungen. Hinzu kommt eine weitere Langzeitwirkung: wir stumpfen ab. Wer seinen Morgen mit Gewalt und Schrecken beginnt, normalisiert beides irgendwann. In der digitalen Welt des Dauerbeschusses mit Nachrichten pendeln wir also zwischen ständiger Alarmbereitschaft auf der einen Seite und Desensibilisierung auf der anderen Seite.“

„Bekommen wir immer wieder nur das vorgesetzt, was falsch läuft in der Welt, sorgt das aber bei uns nicht nur für ein zu negatives Weltbild und möglicherweise chronischen Stress, der uns krank machen kann. Es lässt uns hilflos zurück … Für jeden Einzelnen von uns kann diese Hilflosigkeit Pessimismus und Depression begünstigen.“ „Mit der modernen Medienwelt konfrontiert, muss unser Gehirn, metaphorisch gesprochen, täglich kurz vor der Überhitzung stehen: Es ist, wie unser gesamter Körper, biologisch nicht auf eine Welt ausgelegt, in der ständig der Weltuntergang droht. Um Kabelbrände oder gar den Komplettausfall zu verhindern, lohnt es sich also, die eigenen Gewohnheiten, die wir in unserem Umgang mit dieser neuen Welt an den Tag legen, einmal gründlich zu hinterfragen.“[5]

3. Mögliche Lösungen

Informationen kontrollieren

„Wenn Informationen immer und überall verfügbar sind, besteht die Kunst nicht mehr darin, Informationen zu finden, sondern sie zu filtern, zu evaluieren, einzuordnen und auch kritisch zu hinterfragen.“ Interessant ist der Blick auf neue „wissenschaftliche Ergebnisse, die zeigen, dass die Geschichte deines Gehirns – also alles, was du bisher in deinem Leben wahrgenommen und getan hast – beeinflusst, wie du Neues verarbeitest und lernst … Ein effizientes Gehirn hat Luft, um Neues wahrzunehmen, und spart so Ressourcen und Platz.“

„Wer nun dem digitalen Hamsterrad entkommen will, versucht es mit sogenanntem digital detox, also ‚digitaler Entgiftung‘“. Für extreme Fälle gibt es in Deutschland „bereits erste Kliniken, die sich auf Abhängigkeit von der digitalen Welt spezialisiert haben“.

Schließlich: „Ein Artikel – oder Informationshappen – hinterlässt je nach Tonalität bei uns unterschiedliche Emotionen, und die wiederum können uns in vielerlei Hinsicht hemmen oder aktivieren.“ „Ein Weg weg von der Nadel kann uns nur gelingen, wenn wir unsere Gewohnheiten ändern – und eine Medienhygiene entwickeln … Mach zunächst eine kurze – aber ehrliche – Bestandsaufnahme deines Informationskonsums. Beantworte dafür spontan ein paar ganz banale Fragen: wie viel Zeit verbringst du täglich online, wie viel vor dem Fernseher oder mit anderen Medien? Was schätzt du, wie oft du dich täglich durch E-Mails, Push-Nachrichten, Social-Media-Benachrichtigungen und andere ‚Ich checke das mal eben‘-Botschaften ablenken lässt? Wie oft ärgerst du dich darüber und wünschst dir, dich anders zu verhalten? Nimm diese Spontaneinschätzung als Basis für ein kleines Medienhygiene-Tagebuch, das du ein paar Tage oder Wochen führen solltest. So kannst du nach einiger Zeit erkennen, wann, wo und in welchen Situationen du dich am häufigsten ablenken lässt – und wo du den größten Änderungsbedarf siehst!“

Scheinobjektivität entlarven

„Woher bekommen wir eigentlich unsere Informationen und damit unsere Sicht der Welt? Die Antwort ist verblüffend einfach: zu einem großen Teil aus den Medien.“ „Dass Medien einen objektiven Blick auf die Welt geben sollen, ist sogar staatsvertraglich festgehalten. So heißt es zum Beispiel im ZDF-Staatsvertrag: ‚In den Angeboten des ZDF soll ein objektiver Blick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden.‘ Auch Kai Gniffke, der als ARD-Chefredakteur jeden Abend das letzte Wort über die Nachrichten für rund zehn Millionen Zuschauer hat, erklärte Studierenden in Hamburg 2016: ‚Die neutrale und objektive Berichterstattung der Tagesschau könnte angesichts politisch unruhiger Zeiten wichtiger sein denn je.‘ Dabei gibt es nur ein Problem: Objektivität an sich ist eine Fata Morgana. Denn die Frage, wie jemand ‚objektiv‘ berichtet und ‚Subjektivität‘ vermeidet, stellt sich überhaupt nicht – weil es schlicht unmöglich ist ... Auf den Punkt gebracht, kann Kai Gniffke, ein Xi Jinping oder kannst du als Zuschauer der Tagesschau – sprich jeder Mensch – doch nur urteilen, weil er Werte hat, weil du Werte hast. Werte, die dich fühlen lassen und verärgern, wenn ‚die da oben‘ oder ‚die da drüben‘ oder ‚die daneben‘ sich gemäß den eigenen Wertvorstellungen wieder mal danebenbenehmen“. Ohne Moral- und Wertvorstellungen „sind wir schlicht handlungsunfähig“.

„Wenn Journalisten immer wieder betonen, objektiv zu berichten, ist also Stress vorprogrammiert. Eben weil eine objektive Berichterstattung nicht möglich ist, da sie immer von Werten geprägt ist ... Hier also meine Forderung: Statt eines verwurzelten Glaubens an die Fata Morgana ‚objektive Berichterstattung‘ brauchen wir mehr kritisches Denken, Vernunft, Ehrlichkeit und vor allem Mut – um die eigene Beschränktheit anzuerkennen.“ So weit Maren Urner.

Verzicht

Unter den möglichen Lösungen gibt es auch eine radikale, die wir uns anschauen möchten. Der Schweizer Schriftsteller Rolf Dobelli verfolgt seit einiger Zeit diesen Weg, der unter Medienschaffenden sonst eher selten ist. Er entfaltet ihn in seinem neuesten Buch Die Kunst des digitalen Lebens. Wie Sie auf News verzichten und die Informationsflut meistern[6]. Er fasst diesen Weg selbst zusammen:

„Ich fühlte mich voll am Puls der Zeit, war begeistert, berauscht, betrunken. Es war wie Alkohol. Nur, so dachte ich, nicht verdummend, sondern verschlauend. In Wahrheit sind News so gefährlich wie Alkohol. Eigentlich noch gefährlicher, denn die Hürde, die Sie als Alkoholtrinker nehmen müssen, ist viel höher … Trotzdem spürte ich eine nie nachlassende Faszination für das überwältigende, grelle News-Gewitter. Und dies, obwohl es mich offensichtlich nervös machte. Ständig schoben sich Bruchteile von News-Meldungen vor die Realität, die mich umgab, und ich hatte plötzlich Mühe, längere Texte am Stück zu lesen. Es war, als hätte jemand meine Aufmerksamkeit in winzige Stücke zerschnitten. Ich verfiel in Panik, dass ich meine Aufmerksamkeit nie mehr heilen, dass ich diese Fetzen nie mehr zu einem Ganzen würde zusammenfinden können … Es musste eine radikale Lösung her. Und zwar dringend. Sie lautete: Schluss mit News. Komplett. Radikal. Sofort. Und siehe: Das funktionierte! Mich von der News-Sucht zu befreien brauchte einiges an Zeit, Experimentierfreudigkeit und Willenskraft. Vor allem suchte ich Antworten auf folgende Fragen: Was sind News? Was macht sie so unwiderstehlich? Was passiert im Hirn, wenn wir News konsumieren? Warum sind wir so gut informiert und wissen doch so wenig? Der radikale Abschied von News fiel mir doppelt schwer, weil viele meiner Freunde Journalisten sind … Dummerweise sind sie heue in einer Industrie gefangen, die mit echtem Journalismus kaum mehr etwas zu tun hat. Das Jonglieren von News ist sinnleer geworden. Heute bin ich ‚clean‘. Seit 2010 lebe ich gänzlich ohne News und kann die Auswirkungen dieser Freiheit sehen, spüren und aus erster Hand schildern: höhere Lebensqualität, klareres Denken, wertvollere Einsichten, weniger Nervosität, bessere Entscheidungen und viel mehr Zeit. Seit 2010 habe ich keine Tageszeitung mehr abonniert, keine Tagesschau mehr gesehen, keine Nachrichten im Radio mehr gehört, mich von keinen Online-News mehr berieseln lassen. Was als Selbstversuch begonnen hat, ist zu einer Lebensphilosophie geworden. Ich kann Ihnen den News-Verzicht mit gutem Gewissen ans Herz legen. Sie werden bessere Entscheidungen treffen. Sie werden ein besseres Leben haben. Und glauben Sie mir: Sie werden nichts Wichtiges verpassen“.

4. Schlussfolgerungen

Wenn wir die Erkenntnisse aus der Reihe „Kritisches zu …“[7] in Bezug auf das Thema Information und Manipulation zusammenfassen, kommen wir zu folgendem Ergebnis: Die Wahrheit des Wortes Gottes wurde in der „Aufklärung“, der 68er-Bewegung, der kirchlichen und der postevangelikalen Theologie und in der Postmoderne in einigen zentralen Bereichen „mit der Lüge vertauscht“ (Röm 1,25). Die Folgen sind Niedergang im persönlichen, gemeindlichen und gesellschaftlichen Leben. Da die damit verbundenen Ideale in der Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen, werden wir von den Medien dahingehend beeinflusst.

So verwundert es auch nicht, dass die Lüge und ihre Begleiterscheinungen sich immer mehr ausbreiten, wie wir oben sahen – wird doch schon im ersten Kapitel des Römerbriefs davon gesprochen, dass Gott die Menschen wegen ihres Abweichens von dessen Grundsätzen und ihres Bleibens im Bösen „hingegeben hat“. Es ist wichtig, dass wir uns dies bewusst machen und auf der Basis der Bibel verantwortlich mit Wahrheit und Lüge umgehen. Der 2. Brief an die Thessalonicher warnt uns vor einem Extrem, nämlich dass Gott Menschen „eine wirksame Kraft des Irrwahns“ sendet, „dass sie der Lüge glauben“ (2,11), und zwar darum, weil „sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden“ (V. 10) und „damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“ (V. 12).

Lassen wir uns also wieder neu motivieren, wahrhaftig zu sein, Wahrheit zu reden, denn auch für uns gilt die Aufforderung: „Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten“ (Eph 4,25).

Jochen Klein

[1] www.jochenklein.de.

[2] Sehr interessante Ausführungen zum Thema „Information“ sind in dem Buch von Werner Gitt, Bob Compton und Jorge Fernandez Information. Der Schlüssel zum Leben (Bielefeld: CLV 2018) zu finden.

[3] Vgl. dazu Jochen Klein: „Wahrheit und Lüge“, www.jochenklein.de.

[4] München (Droemer Verlag) 2019. Rezension auf www.jochenklein.de

[5] Mehr zum Thema Medien in meinem Artikel „Als Christ in der Mediengesellschaft leben“, www.jochenklein.de.

[6] München (Piper) 2019.

[7] www.jochenklein.de.

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