„Sturmfreie Bude“ ist eine Redewendung, die die Idee ausdrückt, frei zu sein und machen zu können, was man möchte, zumeist ohne Konsequenzen. Wenn Manfred Lütz meint: „Atheismus ist der Wunsch nach einer ‚sturmfreien Bude‘“, bringt er Ähnliches zum Ausdruck, nur auf eine andere Dimension bezogen.
„Sturmfreie Bude“ wird in Lukas 13,35 vom Herrn Jesus auch den Bewohnern Jerusalems versprochen – oder besser gesagt angedroht. Dort ist zu lesen: „Siehe, euer Haus wird euch überlassen“. Das mag zunächst nicht bedrohlich klingen, aber es ist der maximale GAU, denn nichts ist schlimmer, als wenn Gott sich zurückzieht. Wie kam es zu diesem Ausspruch? Die Kurzfassung: Jerusalem hatte die Propheten getötet und die gesteinigt, die Gott zu ihm gesandt hatte (vgl. V. 34). Es hatte sich geweigert zu hören. Die Folge war, dass es sich selbst überlassen wurde.
In mancher Hinsicht ist dies auch die Geschichte der westlichen Staaten. Schon lange wiederholen Gelehrte immer wieder eine Kausalkette, die in etwa so lautet: Durch die Dominanz des menschlichen Verstandes gegenüber dem christlichen Glauben hätten sich in Europa viele Freiheiten etabliert und nach und nach ausgebreitet, auch forciert durch die 1968er Studentenbewegung. Für viele Menschen sei das von großem Nutzen (gewesen).
Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Christentum zunehmend belächelt und teilweise nur noch geduldet. Nach dem antichristlichen Klima der NS-Zeit nehmen wir seit einiger Zeit wieder intensiver wahr, dass christliche Positionen auf breiterer Basis attackiert werden als noch vor einigen Jahrzehnten. Gewiss haben auch Christen Nutzen von einer freiheitlichen Gesellschaft: Sie dürfen sich z.B. versammeln, das Evangelium verkündigen usw. Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass manche Freiheitsproklamationen der letzten Zeit immer mehr einem totalitär-fundamentalistischen Muster folgen: Dem antichristlichen Mainstream zu entsprechen ist gut und verdient Freiheit; ihm nicht zu entsprechen bedeutet, demokratiefeindlich, rechts, -phob oder sonst etwas zu sein. So verengt sich zunehmend der Meinungskorridor und die Freiheit wird beschnitten.
Diese Aspekte dürften weitgehend bekannt sein. Diesmal möchten wir den Fokus etwas mehr auf die klar diabolische Dimension legen.[1]
Der Laizismus proklamiert schon lange, dass religiöse Angelegenheiten im öffentlichen Raum außen vor zu lassen seien und gesamtgesellschaftliche Fragen friedlich und „objektiv“ unter dem Postulat theologischer Neutralität abzuhandeln seien. Dies hat sich aber als problematisch erwiesen, denn der Laizismus führt nicht nur zu einer Relativierung des Christentums, sondern er leugnet auch die Folgen des zunehmenden Einflusses des Islams in Europa. Das Christentum wurde trotz seiner Verschmelzung mit der abendländischen Tradition inzwischen auf den Status des Buddhismus, Islams, Hinduismus usw. reduziert, um dann noch mehr abqualifiziert zu werden. Besonders gilt das für Christen, die die Inhalte der Bibel ernst nehmen.
Formen des Liberalismus haben nicht zufällig, sondern zwangsläufig in die Misere der Gegenwart geführt, denn letztlich geht der Liberalismus auf den Humanismus zurück, wie er vor allem im 16. Jahrhundert europaweit zum Durchbruch fand. Dieser basiert weitgehend auf der Abwendung von Gott und der Hinwendung zum Menschen. Nicht mehr die Auslegung der Gottesworte, sondern die verstandesgestützte Emanzipation des Menschen, der zum „Maß aller Dinge“ werden sollte, trat in den Vordergrund des Interesses. Rousseau behauptete im 18. Jahrhundert sehr grundsätzlich, dass es die Gesellschaft mit ihren Beziehungen und Gegebenheiten sei, die den Einzelnen entscheidend negativ forme und verändere. Die Verantwortung für Negatives wurde also weitgehend weg vom Einzelnen auf die Gesellschaft gelegt und der Einzelne wurde im Zuge dessen überidealisiert. Dies ist für einen Großteil des neuzeitlichen liberalen Denkens wichtig und von großer Bedeutung für unsere Gegenwartskultur.
Auch das Prinzip der objektiven, aus der Bibel abgeleiteten Wahrheit wurde in diesem Zuge durch ein subjektives, menschenzentriertes Glaubensverständnis ersetzt. Dem Menschen wurde die Kraft zuerkannt, selbst zu entscheiden, was wahr und was richtig ist. So geriet Gott in den Hintergrund und wurde zugunsten eines funktionalen faktischen Atheismus aufgegeben. Wohin diese liberale „Befreiung“ des Menschen von Gott führt, zeigt sich in vielerlei Hinsicht. So wurden nicht nur gute biblische gesellschaftliche Normen infrage gestellt, sondern das Ziel wurde letztlich, das Wesen der menschlichen Natur selbst zu verändern. Die Folge bis heute ist eine (moralische) Zersetzung und tiefe Orientierungslosigkeit.
Das subjektive Glaubensverständnis zeigt sich aber auch noch anderswo: Lange Zeit meinte die „aufgeklärte“ Gesellschaft, mit dem Verlust des „religiösen“ Glaubens auch den Fanatismus hinter sich gelassen zu haben. Die Aufklärung hat aber in etlichen Bereichen zu einem extremen, selbstgefälligen angeblichen Bescheidwissen geführt, das so manche Katastrophe nach sich zog. Dieser säkulare Glaube macht die Protagonisten manchmal ebenfalls zu herrschsüchtigen Vertretern der vermeintlichen absoluten Wahrheit mit zum Teil fanatischem Glauben und radikalen Handlungen.
Weiterhin ist die Säkularisation ein innerseelischer Prozess, der zu einer Form von Religion vermeintlich ohne Glauben führt. So finden wir in der Moderne auf dem Fundament der Glaubensreste einen Glauben, den man im Selbstbewusstsein der Säkularisation überwunden zu haben meinte. Mit diesen Entwicklungen geht auch eine zunehmende Innenschau einher: Nur wer in sich selbst sein authentisches Ich finde, könne ein guter Mensch werden. Ein wahrer Mensch ist nach dieser Vorstellung nur, wer sich selbst gefunden hat. Doch ob das, was man als sein authentisches Selbst gefunden zu haben meint, auch wirklich das wahre Selbst ist, bleibt eine offene Frage, die letztlich nicht beantwortet werden kann. Dass niemand sicher sein kann, wirklich sein Inneres erkannt und in seinem Leben entfaltet zu habe, ist die Tragik vieler Menschen heute. Das Lebensglück ist somit ungewiss, und diese Ungewissheit treibt die Menschen dazu, sich selbst und die vermutete Wahrheit in sich selbst in immer neuen Anläufen (gedanklich) zu umkreisen.
Es geht allerdings schon länger nicht (mehr) nur darum, das Christentum neutral zu halten – falls es je darum ging –, sondern es geht auch um dessen Umkehrung. Die Einflüsse des Christentums sind nicht nur nach und nach geringer geworden, wie Libertäre gehofft haben, sondern es sind mehr und mehr teuflische Prinzipien eingezogen. Das Christentum wurde nicht durch einen (vermeintlich) aufgeklärten Atheismus ersetzt, sondern Schritt für Schritt durch eine neue Variante des Satanismus. Dies mag verwundern und auch der Lebensrealität der meisten Gegner des christlichen Glaubens zumindest in Deutschland augenscheinlich nicht entsprechen. Betrachten wir aber z.B. die französische Aufklärung, so können wir schon damals feststellen, dass der „Lichtbringer“ Lucifer und seine griechische Entsprechung Prometheus in Dichtung, Philosophie, Musik und politischer Literatur oft als Chiffren für den Kampf des Menschen gegen seine angeblich selbstverschuldete Unmündigkeit aufgeboten werden: die verbotene Frucht des Paradieses als Beihilfe Satans zur humanistischen Emanzipation, der Turmbau zu Babel als angeblich mutiger Aufstand gegen einen rachsüchtigen Gott, die drei Versuchungen Jesu in der Wüste als positives Programm der politischen Selbstverwirklichung und Judas als heroischer Sozialaktivist gegen einen letztlich menschenfeindlichen Erlöser.
Von den modernen Eliten werden Materie, Macht und Genuss zum höchsten, fast einzigen Prinzip verklärt; die Transzendenz, besonders des Christentums, wird dagegen zum Feind erklärt. So wird Gott abgeschafft, während das Diabolische der schranken- und grenzenlosen Selbstentfaltung zum menschlichen Alleinstellungsmerkmal und zum neuen positiven Idol umgedeutet wird. Die Konsequenzen sehen wir im neuen Wokismus. Dieser hat nichts mehr mit dem ursprünglichen, zunächst nach Freiheit strebenden Geist des Liberalismus zu tun, der ihm den Weg bereitete. So verwundert es auch nicht, dass sich die juristischen Forderungen des Wokismus wie eine Umkehr aller zehn Gebote lesen.
Der Transhumanismus liefert dazu das Zukunftsprogramm einer Selbstvergöttlichung des Menschen. Die Transzendenz wird durch die reine Materie ersetzt, die menschliche Seele durch Vulgärdarwinismus angeblich „widerlegt“, Liebe durch Hedonismus und Perversion verdrängt, die moralische Verantwortung wird durch psychologische und neurowissenschaftliche Pseudo-Erklärungen demontiert, Wahrheit zur Ansichtssache degradiert, Familienleben unter den Generalverdacht des Protofaschismus gestellt, Schönheit und Ästhetik in den Dreck gezogen, das menschliche Dasein wird auf das Animalische reduziert und gleichzeitig in seiner Materialität zum höchsten Gut erhoben, nämlich z.B. durch das „Uploaden“ des Bewusstseins in die Maschine soll es unsterblich und virtuell allmächtig gemacht werden.
Wir können also festhalten, dass die stellenweise verdeckte satanische Natur der modernen Gesellschaft immer mehr durchbricht und sich immer mehr zeigt – so z.B. auch bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris, als christliche Symbole verhöhnt wurden. Dies fiel besonders in China und Japan auf und wurde dort entsprechend kommentiert. In deutschen und europäischen, auch „christlichen“ Medien wurde es weitgehend verschwiegen oder krampfhaft umzudeuten versucht.
Der Theologe Dietmar Mehrens drückt es aktuell so aus: „Im Zeichen von New Age, Wassermann, Regenbogen und Transformation läuft derzeit der größte geistesgeschichtliche Angriff auf das Christentum, den es in Europa je gegeben hat, seit im 1. Jahrhundert die Apostel den Glauben nach Rom brachten.“ Über aktuelle westliche Kulturproduktionen, insbesondere Kinofilme, schreibt er, dass es sich um einen „Propagandamaschinenraum“ handele, „in dem wie am Fließband mit neoreligiösen Heilsbotschaften gesättigte Kunstprodukte ausgespuckt werden, als hätte das berüchtigte Ministerium für Volksaufklärung, das es in dieser Disziplin auf deutschem Boden zu besonderer Fertigkeit gebracht hat, nie aufgehört zu existieren, sondern vielmehr seine Tätigkeit auf die gesamte westliche Hemisphäre ausdehnt … Für konservative Christen ist hier ein unreiner Geist am Werk.“ Viele Beispiele sprächen „dafür, dass eine diffuse, erst auf den zweiten, nicht auf den ersten Blick als religiös grundiert, aber in ihrer Frontstellung gegen die biblischen Glaubenspfeiler erstaunlich geschlossen auftretende Doktrin zur zweiten Haut der westlichen Kulturherstellung geworden ist“ (Cato 1/2025, S. 54ff.). In diesem Zusammenhang zitiert er noch Nietzsche: „Je weniger die Leute an traditionelle Religion glauben, desto mehr schaffen sie sich neue.“
Es bleibt zu hoffen, dass das immer unverhohlenere Diabolische mehr und mehr Menschen auffällt und sie die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Wenn Gott in einer Gesellschaft immer weiter zurückgedrängt wird und er sich zurückzieht, ist sie immer mehr dazu verflucht, die Folgen davon zu tragen. Wenn manche Auswüchse des Liberalismus geradezu eine teuflische Dimension haben, nimmt das Konzept Babylon, der Inbegriff der Verruchtheit und Gottlosigkeit, immer mehr überhand. Dieses war eine „Behausung von Dämonen geworden und ein Gewahrsam jedes unreinen Geistes“ (Offb 18,2). Paulus bringt das Problem so auf den Punkt: „Ihnen Freiheit versprechend, während sie selbst Sklaven des Verderbens sind; denn von wem jemand überwältigt ist, dem ist er als Sklave unterworfen“ (2. Pet 2,19).
Wir sollten also gewarnt sein und uns gegen den diabolischen Liberalismus wappnen: „Im Übrigen, Brüder, seid stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr zu bestehen vermögt gegen die Listen des Teufels. Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Fürstentümer, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern. Deshalb nehmt die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag zu widerstehen und, nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermögt. Steht nun, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit und angetan mit dem Brustharnisch der Gerechtigkeit und an den Füßen beschuht mit der Bereitschaft des Evangeliums des Friedens, indem ihr über das alles ergriffen habt den Schild des Glaubens, mit dem ihr imstande sein werdet, alle feurigen Pfeile des Bösen auszulöschen. Nehmt auch den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das Gottes Wort ist, zu aller Zeit betend mit allem Gebet und Flehen in dem Geist, und hierzu wachend in allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen“ (Eph 6,10–18).
Jochen Klein
[1] Teile dieses Textes stützen sich auf den Historiker David Engels, aus dessen Artikel „Die Olympischen Spiele des Satanismus“ in Cato 6/2024, S. 86ff. einige Sätze weitgehend übernommen wurden.
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