denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Liebes-Konzepte

Der Begriff „Liebe“ scheint uns geläufig zu sein, aber er ist äußerst vieldeutig und wird auf ganz unterschiedliche Weisen verwendet. Er fungiert sozusagen als Oberbegriff.

Sollten wir für unsere Kultur den Begriff „Liebe“ definieren, dann könnte das folgendermaßen lauten, wie es deutsche Wörterbücher und Lexika tun: Liebe (über mittelhochdeutsch liep „Gutes, Angenehmes, Wertes“ von indogermanisch leubh „gern, lieb haben, begehren“) ist eine Bezeichnung für starke Zuneigung  und Wertschätzung, für ein starkes Gefühl des Hingezogenseins und eine opferbereite Gefühlsbindung.

Kulturgeschichtlich und historisch wird der Begriff „Liebe“ in den vielfältigsten Bedeutungskontexten verwendet. In verschiedenen Epochen, Kulturen und Gesellschaften wird Liebe unterschiedlich aufgefasst und erlebt. Unterschiedliche Zeiten und soziale Verbände haben oft eigene Verhaltensregeln für den Umgang mit der Liebe.

Die Bedeutung dessen, was Liebe genannt wird, wandelte sich so auch in den letzten Jahrhunderten. In der modernen Gesellschaft erfolgt die „Herstellung“ von Identität nicht mehr vorrangig durch soziale Zugehörigkeit, also durch äußere Faktoren (vor allem Eigenschaften wie Reichtum oder Macht), sie wird vielmehr im „Inneren“ des Subjekts gesucht: in der sich ausformenden Vorstellung von Individualität. Der Ausformung einer solchen „auf Innerlichkeit gestellten“ Individualität dient in erster Linie das Kommunikationsmedium Liebe. In der romantischen Liebe wird das Unwahrscheinliche eines Wechselverhältnisses zwischen den Liebenden Ereignis, soziale Realität.

Im griechischen Neuen Testament gibt es, wie entsprechende Lexika deutlich machen, für den Begriff „Liebe“ zwei Wörter bzw. Wortgruppen. Die eine (philia, phileo) hat den Bedeutungsumfang „lieb haben, jemandem wohlgesinnt sein“ bis hin zu Zeichen herzlicher Verbundenheit. Dies wird für die Liebe Gottes des Vaters zu Jesus gebraucht, ebenso für die Liebe zwischen Eltern und Kindern. Die im Profan-Griechischen wenig gebrauchten Wörter agapä, agapeo bezeichnen im Neuen Testament ganz umfassend alle echte Liebe: die Liebe Gottes zu den Menschen, die daraus entspringende Liebe der Menschen untereinander, die Feindesliebe, die Liebe zwischen Mann und Frau; ebenso aber auch egoistische, fehlgeleitete Liebe. Das hebräische Alte Testament hat dagegen insgesamt acht Wörter, um Liebe in ihren verschiedenen Bedeutungen auszudrücken. Diese Bedeutungen sind: „lieben, sich erbarmen, Mitleid, Wohlgefallen oder Verlangen haben, sich einem Wunsch hingeben“. Die Mehrzahl davon bezeichnet sowohl göttliche wie menschliche und auch geschlechtliche Liebe.

Wenn wir die Entwicklung dessen verfolgen, was über die Jahrtausende der Menschheitsgeschichte über Liebe gedacht und festgehalten wurde, können wir feststellen, dass in der Bibel die Maßstäbe formuliert werden, wie Gott sich Liebe denkt, Liebe meint und wie sie ausgeübt werden sollte und wie nicht. Diese Maßstäbe prägten lange u.a. die europäische Kultur und Gesetzgebung. Da sich die Moral/Ethik spätestens seit der Aufklärung mehr und mehr von biblischen Maßstäben abwendet, werden auch deren Maßstäbe in Bezug auf Liebe ignoriert oder (zum Teil bewusst) ins Gegenteil verkehrt. So werden in einer krankhaft egomanischen Gesellschaft Dinge wie das Sich-selbst-Heiraten, das Outen persönlicher Vorlieben (und seien sie noch so abwegig) usw. proklamiert.

Das Ignorieren der Maßstäbe Gottes auch diesbezüglich hat fatale Konsequenzen, die schon das Alte Testament zeigt. Ein vertieftes Verständnis über Gottes Maßstäbe z.B. in Bezug auf Heiligkeit/Liebe ist die Grundlage dafür, ein gelingendes Leben führen zu können. Wenn z.B. in der modernen Theologie unterschiedliche Perversionen Liebe genannt und als richtig erklärt werden, führt das zu fatalen Folgen. Aber auch das romantische Liebesverständnis und somit eine gewisse Vorstellung von Emotionalität als biblisch zu klassifizieren, kann zu falschen Handlungen und Wegen führen. Schließlich gilt es zu bedenken, dass jeder Mensch ein Liebes-Konzept hat, also einen Rahmen, in dem sich sein Tun in Bezug auf dieses Thema bewegt. Wir sollten uns wieder gegenseitig neu motivieren, die auch in diesem Heft thematisierten biblischen Liebes-Prinzipien neu zu bedenken und umzusetzen. Denn sie sind: heilig und gerecht und gut!

Jochen Klein

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