denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Zwischen Information und Manipulation

Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Über Medien, Datenträger, Satelliten und Netze haben wir Zugang zu mehr Informationen als irgendeine Generation zuvor. Ob wir die vielen Informatio­nen benötigen, ist eine Frage; wie wir damit um­gehen, eine andere. Grundlegend für jede Art von Information ist Wahrheit. Müssen wir damit rechnen, daß eine Nachricht falsch ist, so verrin­gert sich deren Wert gegen Null. Wenn beim Vermitteln von Informationen Lüge die eine Ge­fahr ist, so ist Manipulation die andere. Das be­deutet nicht unbedingt, daß die Informationen verfälscht werden. Sie werden aber mit einem bestimmten Ziel manipuliert.

Wie wir heute darauf angewiesen sind, daß wir unserem Kommunikationspartner vertrauen kön­nen, so war Mose auf die Vertrauenswürdigkeit seiner zwölf Kundschafter angewiesen, als er mit dem Volk Israel in der Wüste war. Er hatte sie auf Befehl des HERRN nach Kanaan gesandt, um das Land sowie die Eigenschaften des Volkes dort zu erkunden. Nach vierzig Tagen waren sie zurückgekehrt und hatten Mose berichtet: „Wir sind in das Land gekommen, wohin du uns ge­sandt hast; und wirklich, es fließt von Milch und Honig ... Nur daß das Volk stark ist, welches in dem Lande wohnt, und die Städte befestigt, sehr groß; und auch die Kinder Enaks haben wir dort gesehen“ (4. Mo 13,27.28). Alle waren sich also darüber einig, daß Kanaan ein gutes, aber (nach menschlichem Ermessen) schwer einzunehmen­des Land war.

Ging es bisher darum, Tatsachen zu berichten, so kam es nun dazu, daß Meinungen zum weiteren Vorgehen geäußert wurden. Einer der Kund­schafter, Kaleb, sprach sich dafür aus, hinauf­zuziehen und das Land in Besitz zu nehmen, da man es gewiß überwältigen werde. Andere wi­dersprachen: „Wir vermögen nicht gegen das Volk hinaufzuziehen, denn es ist stärker als wir“ (V. 31). Wie sollte es jetzt weitergehen? Ganz einfach! Zehn Kundschafter manipulierten die Meinung der Masse, d.h. des Volkes, indem sie ein böses Gerücht aufbrachten: „Das Land, wel­ches wir durchzogen haben, um es auszukund­schaften, ist ein Land, das seine Bewohner frißt; und alles Volk, das wir darin gesehen haben, sind Leute von hohem Wuchs; auch haben wir dort die Riesen gesehen, die Kinder Enaks ...; und wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und also waren wir auch in ihren Augen“ (V. 32.33).

Waren diese Aussagen falsch? Nicht unbedingt! Es war eine überzogene, also manipulative Dar­stellungsweise, die ein verwerfliches, da eigen­nütziges Ziel hatte. Weil die Kundschafter Für­sten und somit Meinungsführer waren, ließen die Folgen nicht lange auf sich warten: Die ganze Gemeinde Israels schrie, und das Volk weinte in der Nacht. Dann rebellierte es gegen Mose und Aaron: „Und sie sprachen einer zum anderen: Laßt uns ein Haupt über uns setzen und nach Ägypten zurückkehren!“ (4. Mo 14,4)

Zwei Kundschafter, Josua und Kaleb, hielten dagegen. Sie sagten, daß das Land „sehr, sehr gut“ sei, und versuchten dem Volk klarzuma­chen, daß es nicht darum gehe, der eigenen Mei­nung zu folgen, sondern daß Gott sie in dieses Land bringen und es ihnen geben werde, wenn Er Gefallen an ihnen habe. Auch warnten sie das Volk, gegen Ihn zu rebellieren, und forderten es auf, sich unter keinen Umständen vor den Be­wohnern des Landes zu fürchten, denn: „Ihr Schirm ist von ihnen gewichen, und der HERR ist mit uns“ (V. 9). Alles Reden war jedoch zwecklos. Das Volk faßte einen einstimmigen Beschluß: „Und die ganze Gemeinde sagte, daß man sie steinigen solle“ (V. 10).

Jetzt, sozusagen in letzter Minute, griff Gott selbst ein, um das Volk wegen seiner Rebellion zu vertilgen. Obwohl es sich noch kurz vorher gegen Mose aufgelehnt hatte, flehte dieser zum HERRN, das Volk zu verschonen. Gott erhörte ihn, aber die Strafe konnte nicht ausbleiben: Vierzig Jahre lang sollten die Israeliten in der Wüste umherziehen. Alle, die zwanzig Jahre und älter waren, sollten dort sterben. Die Männer, die für die Manipulation verantwortlich waren, das böse Gerücht über das Land aufgebracht und das Volk aufgewiegelt hatten, starben durch eine Plage. Und die beiden, die für die Wahrheit ihr Leben riskiert hatten? Josua führte nach vierzig Jahren das Volk nach Kanaan. Kaleb zog mit und bekam Hebron als Erbteil, weil er treu und „weil ein anderer Geist in ihm gewesen“ war (V. 24). Von dort trieb er die drei Söhne Enaks aus, de­nen gegenüber sich die anderen Kundschafter „wie Heuschrecken“ (s.o.) gefühlt hatten (vgl. Jos 15,13.14).

Zusammenfassung

Augenzeugen hatten über das gleiche Land be­richtet. Dann waren sie bezüglich des weiteren Vorgehens unterschiedlicher Meinung gewesen. Eine Gruppe von Meinungsführern (zehn Kund­schafter) hatte die Stimmung aufgeheizt, indem sie ein böses Gerücht in die Welt gesetzt und die Tatsachen stark übertrieben, also die Informatio­nen dahingehend manipuliert hatten, daß ihre eigene Auffassung gestützt wurde. Das ganze Volk war manipuliert worden bzw. hatte sich manipulieren lassen, so daß es zu einer Rebellion gekommen war. Als nüchterne Männer – die nicht um ihr Leben fürchteten – dagegenhielten, wollte man sie steinigen. Die Ursache dafür lag darin, daß Josua und Kaleb ihre Meinung nicht von den momentanen Gegebenheiten abhängig gemacht hatten, sondern dem HERRN – im Ge­gensatz zu den anderen – völlig nachgefolgt wa­ren (vgl. 4. Mo 32,11.12) und sich dadurch Sei­ner Führung gewiß sein konnten.

Zum Nachdenken

- Kaleb hatte das Volk gegenüber Mose be­schwichtigt (4. Mo 13,30). Verhalten wir uns wie „Friedensstifter“ (Mt 5,9) oder wie Agitato­ren?

- In Kaleb war „ein anderer Geist“ (4. Mo 14,24). Dies zeigte sich in seinem Verhalten. Welche Gesinnung leitet unser Verhalten?

- Wie gehen wir mit Informationen um? Verfäl­schen wir (wie die Kundschafter) Tatsachen zu unseren Gunsten?

- Mose erbittet von Gott die Rettung derer, die gegen ihn aufgestanden waren. Wie verhalten wir uns gegenüber Menschen, die uns Widerstand entgegenbringen?

- Die Rettung für Josua und Kaleb kam in letzter Minute. Vertrauen wir darauf, daß der Herr Je­sus bei Problemen in unserem Leben jederzeit eingreifen kann? Auch wenn es scheint, als sei es fast zu spät?

Jochen Klein

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