Jochen Klein

denkend glauben

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Auslegungen über das Buch Daniel.

Von John Lennox und Benedikt Peters

„Wenn wir lesen, was Daniel zu sagen hat, werden wir die Stimme Gottes hören, die zu uns spricht. Denn das macht das Buch Daniel aus: Es ist die Stimme Gottes an Daniel und durch ihn auch an uns.“ Diese Aussage des Autors John Lennox ist zentral für das Buch Gegen den Strom. Lennox stellt die Erhabenheit Gottes und sein Reden zu den Menschen in den Vordergrund, aber auch deren Erlösungsbedürftigkeit und ewige Perspektive. Dabei wendet er sich gegen Relativismus, Naturalismus, Säkularismus, Atheismus, neue Toleranz und bibelkritische Theologie. Dieses Buch ist also ein Statement für die Offenbarung Gottes.

Wenn Gott persönlich in die Geschichte der Menschheit eingreift – und im Buch Daniel wird an vielen Stellen deutlich, warum es geschieht (so Lennox) –, tun wir gut daran, dies zu beachten, auch wenn wir dann die Mehrheit der Gesellschaft gegen uns haben. Daniel und seinen drei Freunden erging es ebenfalls so, war doch die Gesellschaft in Babylon durch Vielgötterei, Pluralismus, Gotteslästerung usw. gekennzeichnet. Und sie mussten sich wegen ihres Glaubens mit Nachstellungen und Intrigen auseinandersetzen. So ist die Geschichte Daniels auch ein Appell an Christen, in der Öffentlichkeit mutig ihren Glauben zu bekennen. Das gilt nicht zuletzt deswegen, weil in der westlichen Welt heute starke pluralistische, deterministische und säkulare Strömungen – zusammen mit der Ideologie der politischen Korrektheit – dabei sind, das offene Bekenntnis zum Gott der Bibel so weit wie möglich ins Abseits zu befördern, zur Privatsache oder für irrelevant zu erklären. Zudem benutzen Atheisten eine umdefinierte „Wissenschaft“ als Scheinargument, um auch die Abschaffung der Religion zu proklamieren. So formuliert Lennox als weiteres Ziel für dieses Buch, „uns in unserem Herzen und Denken gut [darauf] vorzubereiten“.

Das Buch hat 23 Hauptkapitel, fünf Zusatzthemen im Anhang, Fragen zur Vertiefung, ca. 200 Fußnoten (die auch auf ergänzende Literatur hinweisen), Abbildungen, Originalquellen aus der damaligen Zeit, ein Literaturverzeichnis und ein Register.

Zunächst zeigt Lennox auf, warum es wichtig ist, sich mit dem Buch Daniel zu beschäftigen. Dann behandelt er dessen 12 Kapitel nacheinander. Dabei geht er zum Teil sehr ausführlich auf historische Zusammenhänge, alternative Deutungen, aktuelle Bezüge, Datierungsfragen, die Struktur, aber auch auf offene Fragen ein. Das Evangelium und Zukunftsfragen sind dabei zentral. Lennox zieht immer wieder Querverbindungen zu anderen Stellen im Buch Daniel oder in den übrigen Büchern des Alten und Neuen Testaments. So behandelt er verschiedene biblische Themen zwischendurch recht ausführlich. Dies tut er ebenso mit gesellschaftlichen Themen (z.B. dem Unterschied zwischen Mensch und Tier). Die gedankliche Verzahnung ist dabei oft herausragend.

Insgesamt ist die Lektüre sehr bereichernd, auch weil man vielfältige (biblische) Themen kennenlernt oder sie einem neu bewusst werden. Ebenso sind die Bezüge zu aktuellen (wissenschaftlichen) Debatten hilfreich. Die zum Teil sehr detaillierten Begründungen zu Einzelaspekten kann man gut auslassen, wenn man daran (im Moment) nicht interessiert ist. Das Buch setzt zum Teil eine Bereitschaft zur Beschäftigung mit komplexen Fragen voraus und bedient sich hin und wieder auch einer anspruchsvolleren (Bildungs-)Sprache (wie der oben genannten [Fach-]Begriffe). Ergänzend zu anderen Daniel-Kommentaren kann dieses Werk auch gut als Nachschlagewerk verwendet werden.

Im Vorwort schreibt Lennox über seinen Freund und Mentor David Gooding: Er „war es, der meine Augen für die Reichtümer der Bibel öffnete und mir beibrachte, von der Bibel her zu denken“. Wenn Lennox dies mit seinem Buch bei uns auch nur ansatzweise gelingen könnte, wäre schon viel gewonnen. Alles in allem also eine sehr lesenswerte Lektüre![1]

Die Auslegung von Benedikt Peters ist nach dem Muster seiner anderen Bibelkommentare aufgebaut. Der Text wird Vers für Vers abgedruckt (manchmal auch mehrere Verse zusammen) und danach erläutert. Es folgen „Lehrreiches und Denkwürdiges“ zum jeweiligen Kapitel (ausgewählte Zitate von anderen Auslegern zu einzelnen Versen oder Sachverhalten) sowie „Sprachliche Anmerkungen“. Am Beginn des Buches steht eine Einleitung, am Ende eine Bibliographie. Der Autor fügt mehrere erläuternde Exkurse („Die Pracht Babylons“, „Zur babylonischen Schrift und Sprache“, „Zum heidnischen und biblischen Geschichtsverständnis“) und öfter auch Gegenwartsbezüge gekonnt ein. Weiterhin gibt es 226 Fußnoten mit Erklärungen, Quellenangaben, vertiefenden Zitaten usw.

Einige Aussagen erscheinen mir so prägnant und bestechend, dass ich sie hier zitieren möchte. Um ein Nachlesen im Kontext zu ermöglichen, füge ich die Seitenzahlen in Klammern dazu.

Die reguläre Form aller alttestamentlichen Prophetie war stets die durch Gottes Geist gewirkte und geführte Rede; bei Daniel ergehen die Weissagungen hingegen in Träumen und Gesichten. (7)

Daniel ist der Prophet der Nationen; er weissagt wohl über sein Volk, aber er spricht im Gegensatz zu allen anderen Propheten nie zu seinem Volk. Jene hatten dem Volk seine Sünden aufgedeckt und es zur Umkehr gerufen. Das fehlt bei Daniel gänzlich. Er spricht hingegen zu heidnischen Herrschern und tut an diesen den eigentlichen Dienst des Propheten, indem er ihnen Gottes Gedanken enthüllt über den Fortgang der Reiche der Welt, sie der Sünde überführt und zur Buße aufruft (so bei Nebukadnezar) oder nur das Gericht ankündigt (so bei Belsazar). (7)

Das Buch Daniel bietet uns einen vollständigen Überblick über die Geschichte der Weltreiche (Kap. 2; 7), d. h. über »die Zeiten der Nationen« (Lk 21,24). Daniel bietet als einziger Prophet eine Geschichte der erwählten Nation von der Zeit der Perserkönige an bis ans Ende der Tage. (7f.)

Als Thema des Buches Daniel formuliert Peters: „Die lange Geschichte der Reiche der Welt und das plötzlich hereinbrechende Reich des Menschensohnes.“ (11)

„Eine Theologie, die sich nicht auf die Offenbarung Gottes stützt und Gott als eine gegebene Wirklichkeit voraussetzt, würde sich genauso verrückt benehmen wie eine Zoologie, die plötzlich an der Realität der Tiere zu zweifeln begänne.“ (Hannah Arendt, 16)

„Wir haben uns … viel mit Apologetik beschäftigt, und Sie haben eine Reihe guter Gründe von mir gehört. Die Bibel ist viel zu groß, um ihre Wahrhaftigkeit auf menschliche Apologetik zu gründen. Die Wahrheit Gottes beruht auf dem Zeugnis Gottes selbst in den Herzen der Menschen: Gott beweist sich selbst und bedarf keiner Apologetik … Sie mögen viel Halt in meinen Vorträgen gefunden haben, aber alle Apologetenkünste sind nichts gegen die Kunst der Überredung und Überzeugung, die der Geist übt. Die Wahrheit der Schrift entsteht im Menschen durch die Neugeburt aus Wasser und Geist (Joh 3,5); wer diese nicht erlebt, wird mit den besten Gründen umfallen.“ (Adolph Zahn, 17)

Dass Sinear hier genannt wird, liegt gewiss nicht daran, dass der Leser wissen soll, wo die Stadt Babylon lag; vielmehr will Daniel unausgesprochen die Gedankenverbindung zum folgenschweren Geschehen in der Ebene Sinear herstellen, von der 1Mo 11 berichtet. Was ein erstes Babel anstrebte und nicht erreichte, wollte das spätere antike Babylon erreichen; und was dieses nicht vermochte, dem wird schließlich das endzeitliche Babylon mit äußerster Entschlossenheit, unterstützt von aller Macht Satans, nachjagen. Und auch dieses wird Gott zerschlagen, wie er das erste und zweite Babel zerschlug. (22)

Für den alten Orient gilt die Anschauung, dass Wissenschaft und Religion identisch sind. Die religiösen Vorstellungen werden also nicht nach dem jeweiligen Stande der Wissenschaft modifiziert, sondern alle Wissenschaft hat im Gegenteil nur den Zweck, das Wesen der im Weltall wirkenden geheimnisvollen göttlichen Kräfte näher zu beleuchten. (34)

Dieser Mythos enthält alle Merkmale, die sich in den altägyptischen, den sumerischen und klassisch griechischen Kosmogonien (das sind Erklärungen für die Entstehung der Welt) finden. Das Gleiche gilt für den bis heute mit liebevoller Hingabe gepflegten ganz identischen Glauben an die Ewigkeit der Materie und an Urknall und Ursuppe als Erzeuger des Raumes und alles Lebendigen. So wie alle Völker des Alten Orients Materialisten waren, so glauben inzwischen in den einst christlichen Völkern nicht nur die Marxisten mit ihrem öden historischen Materialismus, sondern die große Masse, dass alles in der Welt aus ewiger Materie entstanden sei. Damit sind wir wieder gute Babylonier geworden. Die babylonische Religion ist durch und durch Naturverehrung, d. h. Anbetung des Geschaffenen statt des Erschaffers, und das ist die Fundamentalperversion von Röm 1,25. (35)

Wollen die Herrscher dieser Welt wissen, wohin sie unterwegs sind und was ihre Aufgabe auf ihrem Weg durch die Zeit ist, müssen sie bei den jüdischen Propheten nachfragen. Diesen allein hat Gott seine Gedanken über den Menschen und die Völker offenbart. Glücklich das Volk, das dem Licht der Bibel folgt; wehe dem Volk, das dieses Licht ablehnt; und ein mehrfaches Wehe jenen Nationen, die dieses Licht einst besaßen und es nach Jahrhunderten des erfahrenen Segens inzwischen verworfen haben! (56)

Wie unsere materialistischen Zeitgenossen werden auch sie den Staat ihres geliebten Tieres demokratisch nennen, ist er doch hervorgegangen aus Staaten, die ganz demokratisch durch des Volkes Stimme entstanden waren, die sich (für die große Mehrheit) unmerklich so wandelten, bis sie am Ende in die totalste Diktatur mündeten, welche der Erdboden je getragen hat. Sie werden sich für frei halten, weil sie gerne auf jede Glaubens-, Gewissens- und Versammlungsfreiheit verzichten und alle bürgerlichen Freiheiten abgegeben haben einem gütigen, väterlichen, seinen Kindern Sicherheit gebenden und mit allem versorgenden totalen Staat. Der wird ihnen alle Tempel des Konsums und der Unterhaltung offen halten, also fehlt ihnen nichts, was man sich wünschen könnte. Das ist der Ton im Reich, auf den der sich allmächtig gebärdende Staat genauso angewiesen ist wie der Ton auf ihn. Die Menschen lassen sich formen wie Töpferton als eine einzige Knetmasse in der Hand des totalen Staates. (75)

Die umständlichen und so häufigen Wiederholungen in diesem Kapitel entsprechen genau den in jeder götzendienerischen Liturgie endlos abgespulten Gebeten, den regelmäßig zitierten Bekenntnissen des Evolutionsglaubens, dem unaufhörlichen, immer mehr gleichlautenden Tuten der öffentlichen Medien zur dringend nötigen Umordnung der Formen des Zusammenlebens, der Auflösung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern, der weltrettenden Maßnahmen, um die Klimakatastrophe abzuwenden, usw., usf. Wie alle Demagogen wissen, muss man, um ein Volk zu erziehen, nicht viel erklären, sondern fest behaupten und dann das Behauptete in eingängigen Schlagworten nur wiederholen, wiederholen, wiederholen. (89f.)

„Zuletzt trat vor mich Daniel“: Das ist unendlich bezeichnend; wie der König von Babylon fragt der Sünder immer zuletzt nach dem Licht Gottes, das allein Gottes Propheten über unsere irdischen Befindlichkeiten geben können. Unseren einst christlichen Völkern starren wachsende Nöte in die Augen, und die Ausweglosigkeit wird immer handgreiflicher, doch suchen sie Licht und Ausweg immer noch dort, wo sie noch nie etwas gefunden haben: in sogenannten Ideenschmieden oder Denkfabriken, in den Kommissionen der Fachgelehrten und Experten, in den politischen Institutionen, in der Wissenschaft etc. Es scheint, dass die meisten noch immer nicht aufgeweckt worden sind vom eitlen Traum, der seit den Tagen der Aufklärung alles Glück auf Erden vorgegaukelt hatte, wenn der Mensch seinen Verstand nur recht gebrauche, endlich lerne, sich seines Verstandes zu bedienen ohne Anleitung eines anderen, d. h. Gottes und seines Wortes. Dann werde er Rat wissen, und wenn mit der Zeit alle lernten, das zu tun, würde die Menschengemeinschaft am Ende in jenes von Immanuel Kant angekündigte Reich vom ewigen Frieden münden. Wie kommt es, dass die Menschen nicht einsehen wollen, dass die menschliche Vernunft sehr begrenzt ist, häufig irrt und vor allem auf die wichtigsten Fragen des Menschen keine Antwort weiß? Warum ruft seit Generationen keine Regierung der abendländischen Nationen mehr zum öffentlichen Gebet auf, dass Gott sich erbarme und Einsicht gebe, was zu tun sei in schwierigen Zeiten? Warum schlagen kaum noch Menschen die Bibel auf, um von Gott gelehrt zu werden und in seinem Wort Licht und Wegweisung zu finden? Der Sünder liebt die Finsternis mehr als das Licht, denn er ahnt, dass dieses ihn bloßstellen wird (Joh 3,19–20). (109)

An solchen Herrschern (Nero, Lenin, Stalin, Hitler) sollen die Menschen erfahren, was sie bekommen, wenn sie sich Gottes Oberhoheit nicht ergeben wollen (Ps 2,1–3). Haben sie Gottes sanftes Joch abgeworfen, wird er ihnen ein eisernes Joch auf den Nacken legen, das sie nur schindet (5Mo 28,48; siehe auch 2Chr 12,8). (114)

Es wird also dem Namen nach nicht monarchisch sein wie Babel, Medo-Persien und Griechenland. Die Menschen, die in diesem letzten Weltreich leben, werden sich für frei halten, haben sie doch selber die Herrschaft des Tieres begehrt. Es wird die Vollendung jenes totalen Staates sein, auf die jede Demokratie unaufhaltsam zustreben muss, wenn diese so geworden ist, wie sie inzwischen in den europäischen Demokratien ist: ganz Gott-los. (172)

Es ist in der Natur des Bösen begründet, dass das antichristliche Weltreich dort entsteht, wo das Evangelium vom Christus Gottes seine stärkste Ausbreitung erfahren und die größte Kraft auf Denken und Handeln der Menschen entfaltet hat: in den Ländern Europas. (174)

Man beachte wohl, wie ich mich ausgedrückt habe: Es sind weder die weltlichen Historiker noch auch die archäologischen Zeugnisse, welche die Bibel bestätigen, sondern es ist die Bibel, welche alle solchen Zeugnisse beurteilt und entweder bestätigt oder verwirft. Stimmen sie mit dem Wort Gottes überein, sind sie korrekt; wenn nicht, irren sie. Wir müssen immer bedenken, dass die Bibel Gottes Wort ist, und dieses benötigt selbstverständlich keine von außen kommenden Stimmen, welche ihre Zeugnisse bestätigen oder verwerfen. (197f.)

Welt- und Heilsgeschichte ist von Gott vorausgesagte Geschichte. Welt- und Heilsgeschichte ist von Gott gelenkte Geschichte. Welt- und Heilsgeschichte ist von Gott zum Ziel geführte Geschichte. (278)

Wir sehen also, dass das Buch Daniel höchst aktuell ist, angefüllt mit zeitlosen und ewigen Wahrheiten. Es ist gerade in der heutigen Zeit dringend geraten, sich intensiver damit zu beschäftigen. Dazu ist auch diese Auslegung von Benedikt Peters sehr zu empfehlen.

Beide Bücher sind im Reflexionsniveau recht anspruchsvoll. Wer etwas Einfacheres sucht, sei auf die Auslegung Der Prophet Daniel. Seine Person und sein Werk von Werner Mücher (Daniel-Verlag 2016) verwiesen.

John Lennox und Benedikt Peters gebührt großer Dank für die erhebliche Mühe beim Verfassen dieser beiden Bücher. Sie sind ein großer Gewinn und auch gut zur Komplettlektüre geeignet.

Jochen Klein

[1] Eine Zusammenfassung des Buches ist unter dem Titel „Daniels Botschaften“ auf www.denkendglauben.de zu finden.

John C. Lennox: Gegen den Strom. Von Daniel lernen, unangepasst zu leben. Dillenburg (Christliche Verlagsgesellschaft) 2022. Gebunden, 554 Seiten, ISBN 978-3-86353-795-1, 29,90 Euro. Benedikt Peters: Das Buch Daniel. Bielefeld (CLV) 2025. Gebunden, 336 Seiten. ISBN 978-3-86699-693-9, 16,90 Euro.
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