denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Berufung.

Entdecke und folge Gottes Plan für dein Leben.

Der Begriff „Berufung“ kann auf Deutsch zum ersten Mal in den Schriften Martin Luthers belegt werden. Luther nahm die mittelhochdeutschen Wörter beruof „Leumund“ und beruofen „zusammenrufen, herbeirufen“ und formulierte damit den in biblischen Zusammenhängen gemeinten Bedeutungshorizont.

Die Bedeutung der Berufung für jeden persönlich und für die Kultur ist hoch. So ist es z.B. ein großer Unterschied, ob jemand seinen „Job“ macht, um Geld zu verdienen oder sich selbst zu verwirklichen, oder ob er seine Tätigkeit als Berufung von Gott sieht und sich entsprechend ihm gegenüber dafür verantwortlich weiß.[1]

Diesem Themenfeld widmet sich Os Guinness in seinem Buch über Berufung. Dabei geht es auch zentral um die Suche nach Sinn und Ziel des Lebens sowie um die eigene Identität und Erfüllung („Deinen ganz persönlichen Grund für alles, was du tust“, wie es der Autor formuliert). Berufung knüpft an die Sehnsucht des Menschen nach Sinnhaftigkeit und Bestimmung an und macht klar, dass jeder Mensch auf ein bestimmtes Ziel hin geschaffen wurde, gibt der Autor zu bedenken. Guinness unternimmt u.a. einen Streifzug durch die Geschichte, die Literatur und die Bibel. Er lässt uns an eigenen Erfahrungen und an solchen anderer Menschen teilhaben, greift anhand von Biographien interessanter Persönlichkeiten – Christen wie Nichtchristen – Aspekte der Berufung auf und zeigt wichtige positive und negative Elemente von Berufung und Nachfolge.

Os Guinness (geb. am 30. September 1941) ist ein britischer Apologet, dessen Bücher im englischsprachigen Raum recht verbreitet sind. Von seinen über 30 Veröffentlichungen sind bisher nur wenige (drei) ins Deutsche übersetzt worden. Guinness, ein Nachkomme des berühmten Bierbrauers Arthur Guinness, wurde als Sohn eines Missionars in China geboren und verbrachte dort die ersten zehn Jahre seines Lebens. Später studierte er Philosophie und Theologie in London und promovierte schließlich in Oxford im Fach Soziologie. Dort – ebenso wie in Cambridge, Princeton und Stanford – war er auch Dozent. Er nennt den amerikanischen Theologen Francis Schaeffer einen seiner wichtigsten Mentoren.[2]

Das vorliegende Buch erschien ursprünglich 1998. Der Neuauflage von 2017 wurden einige Kapitel hinzugefügt, ebenso ein Studienteil mit Fragen zu jedem Kapitel. Die aktuelle Ausgabe enthält dreißig Kapitel mit kurzen Reflexionen über die vielfältigen Wunder der göttlichen Berufung und 78 Endnoten.

Insgesamt handelt es sich um ein sehr lesenswertes Buch. Es besticht durch Originalität, kluge Reflexionen, Nüchternheit und Präzision. Man darf allerdings nicht eine Art Ratgeber erwarten, sondern muss sich darauf einstellen, dass der Autor seinen apologetischen Horizont miteinbezieht. Hier ein paar Gedankensplitter aus dem Buch:

„Das Problem des modernen Menschen ist, dass er zu viel zum Leben hat, aber zu wenig, für das es sich zu leben lohnt.“

Tolstoi: „Die Wissenschaft ist bedeutungslos, weil sie uns keine Antwort auf unsere wirklich entscheidende Frage gibt – nämlich: Was sollen wir tun und wie sollen wir leben?“

Es gehört „zur christlichen Berufung dazu, für Narren gehalten zu werden, weil dies uns ermöglicht, vor der Welt eine klare Gegenkultur einzunehmen, die dem Wesen der Welt völlig entgegengesetzt ist.“

„Der Weg, den uns die Agape weist, besagt, dass wahre Zufriedenheit und Erfüllung nur in Gott zu finden ist, weil er die größte und nie endende Kostbarkeit innerhalb und außerhalb des Universums ist.“

„Wir wissen, dass es keine wahre Berufung ohne den wahren Berufenden gibt und dass unsere Berufung nicht nur darin besteht, diejenigen zu sein, die wir sind, sondern diejenigen zu werden, die wir sein sollen.“

„Berufung ist eine Medizin gegen den großen Druck der modernen Pluralisierung, weil Jesu Ruf uns die Prioritäten und Perspektiven liefert, die wir für ein zielgerichtetes Leben in einer überfrachteten Zeit brauchen.“

Unsere Berufung „hilft uns …, ein gutes Ende zu finden, weil sie uns ermutigt, das gesamte Urteil über unser Leben Gott zu überlassen.“

Jochen Klein

[1] Vgl. dazu ausführlicher die Rezension zu dem Buch von Timothy Keller: „Berufung. Eine neue Sicht für unsere Arbeit“ auf www.denkendglauben.de

[2] Vgl. zu Francis Schaeffer und seinem Denken die Rezension seines Buches „Wie können wir denn leben? Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur“ auf www.denkendglauben.de

Os Guinness: Berufung. Entdecke und folge Gottes Plan für dein Leben. Leun (Herold Schriftenmission) 2023. Erstausgabe englisch 1998. Gebunden, 462 Seiten. ISBN 978-3-88936-045-8, 23,00 Euro.
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