Viele Menschen sind in ihrer Kindheit und Jugend in die Schule gegangen. Wenn auch nicht immer in eine institutionalisierte, dann haben doch nahezu alle etwas gelernt: bei Eltern, Großeltern, Verwandten oder anderen. Bei diesem Lernen gab es so manches, das angenehm und leicht war. Anderes dagegen war schwierig und manches lernte man nie.
Wie ist es nun mit der Schule Gottes bestellt? Wann treten wir ein? Wie verhält es sich mit dem Lernen? Und wann werden wir daraus entlassen? Über diese und andere Aspekte finden wir interessante Gedanken in dem Buch Die Erziehung in der Schule Gottes von James Butler Stoney.
Stoney war einer der Brüder, die im frühen 19. Jahrhundert zu der Brüderbewegung in England gehörten. Bereits im Jahre 1833 kam er mit den Brüdern in Berührung, die sich in Dublin versammelten. Nachdem er 1834 bei ihnen seinen Platz dauerhaft gefunden hatte, blieb er zeitlebens ein guter Freund von John Nelson Darby, mit dem er bis zu dessen Tode im Jahre 1882 eng verbunden war. In den ersten Jahrzehnten arbeitete er mehr in der Stille. Er schrieb Artikel für verschiedene Monatsschriften, unter anderem in den vierziger Jahren für The Prospect (Der Ausblick), dessen Herausgeber William Kelly von 1849 bis 1850 war. Ab 1867 war er selbst Herausgeber der Zeitschrift A Voice to the Faithful (Ein Ruf an die Treuen).
James Butler Stoney reiste sehr viel und sprach fast an jedem Tage an irgendeinem Ort. Er hatte eine lebendige, beeindruckende Art zu sprechen, vermied aber sorgfältig jeden Anschein von Rhetorik. Er war überzeugt, dass in den heiligen Dingen der Heilige Geist die wahre und einzige Kraft sei. Sein Buch Die Erziehung in der Schule Gottes ist sehr bekannt geworden.
Im Unterschied zu den übrigen Lehrern der Anfangszeit betonte James Butler Stoney nicht so sehr die objektive Wahrheit Gottes, sondern mehr die subjektive Seite der Wahrheit, bei der die persönlichen Erfahrungen eine große Rolle spielen und manchmal die Gefahr spekulativer Gedanken besteht. Er war insofern fast ein Mystiker. [Die Mystik ist eine besondere Form der Religiosität, bei der der Mensch durch Hingabe und Versenkung zu tiefer, innerlicher Gemeinschaft mit Gott zu gelangen sucht.] Er wurde dadurch – unbewusst oder bewusst? – der Wegbereiter für die Aufnahme der Irrlehren von F. E. Raven, die dieser ab 1890 zu verkündigen begann. Dies führte 1890 zu einer Trennung, bei der in England viele Versammlungen (u.a. auch J. B. Stoney) von Raven mitgerissen wurden. James Butler Stoney ging am 1. Mai 1897, kurz vor seinem dreiundachtzigsten Geburtstag, heim. Schon seit dem Oktober des Jahres 1895 war er durch eine ernste Krankheit an sein Zimmer gefesselt. Bis zum Ende blieb seine Freude in Gott, und er entschlief sanft, während er von Ihm sprach.[1]
In dem Buch Die Erziehung in der Schule Gottes behandelt Stoney nun das Thema Erziehung des Gläubigen anhand der Erziehungswege Gottes bei dreiundzwanzig Personen der Bibel, die mit Ausnahme des Apostels Paulus alle im Alten Testament zu finden sind. Die Lektüre des Buches ist sehr gewinnbringend, erfordert aber, dass man bereit ist, sich konzentriert auf das Thema einzulassen. Stoney geht so vor, dass er allgemeingültige Schlussfolgerung mit konkreten Aspekten verbindet und zur Illustrierung oft unterschiedliche biblische Ereignisse und Belehrungen hinzuzieht. Um einen Eindruck der Schreibweise zu bekommen und einige zentrale Lehren aus dem Buch kennenzulernen, werden hier wenige Schlaglichter abgedruckt.
Abraham
Abram betritt nun die zweite Stufe seines Glaubenslebens: als Fremder im fremden Land, abhängig von Gott, baut er einen Altar, denn die Fremdlingschaft, in die uns der Glaube führt, befestigt unsere Herzen in Gott, und das führt zur Anbetung. Wenn aber die Folgen oder Umstände unserer Fremdlingschaft uns beschäftigen, verlieren wir die Ruhe, die der Glaube bietet, und suchen anderswo Trost. So wandte sich Abram, als er sah, dass eine Hungersnot im Lande war, vom Glaubenspfade ab, den er betreten hatte, und ging nach Ägypten hinab.
Jakob
Je verständnisvoller der Wille des Menschen ist, und je tiefer er von der Absicht Gottes beeindruckt ist, soviel nötiger ist seine Unterwerfung unter Gott, denn sonst wird er versuchen, mit fleischlichen Mitteln zu erreichen, was der Weisheit Gottes überlassen werden sollte; und daraus entsteht Unruhe. Der solchermaßen tätige Wille benötigt Selbstgericht; denn sein Fehler ist nicht, dass er den Willen Gottes zurückweist oder missversteht, sondern dass er ihn mit eigener Kraft zu unterstützen und zu verwirklichen trachtet. Wenn das der Fall ist, lässt der Herr zu, dass Sein Knecht durch traurige Erfahrungen das Ende seiner eigenen Pläne sieht. Und obwohl die Ratschlüsse Seiner Liebe dieselben bleiben, müssen sie unter Bedingungen durchgeführt werden, die erkennen lassen, dass Der, welcher segnet, Sich mit dem Willen dessen beschäftigen musste, der gesegnet wird.
Mose
So ist der Charakter der Zucht Gottes! Kein noch so treuer Dienst während langer Jahre kann die Strafe für Anmaßung in diesem Dienst mildern oder abwenden.
Gideon
Wir werden immer von irgendjemand oder irgendetwas beherrscht; wenn nicht von Gott, dann von der Macht, die Gott und Seinem Volke feindlich ist; und wir werden dieser Macht oft unterworfen, um zu erkennen, wieviel besser die Macht Gottes ist als die Macht der Welt, unter der wir gequält und aufgerieben werden. Dieser Zucht sind alle Kinder Gottes ausgesetzt, und die Kirche hat sie auf bittere Weise erfahren … Der größte Diener leidet am schwersten; er muss den Zustand vollkommen erkannt haben, ehe er handeln kann. Er muss mit dem Volke unter den Umständen der Prüfung gelitten haben; er muss die Tiefen des Elends, zu denen sie geführt wurden, erfahren haben; wenn er nicht weiß, woher und wohin er das Volk heraufführen soll, kann er ihm nicht seinen Bedürfnissen entsprechend helfen. Er muss Geduld haben und den Schmerz des Urteils kennen, wenn er die Befreiung, die er herbeiführen soll, richtig würdigen soll … Der Knecht Gottes muss wissen und glauben, dass in Gott die Macht ist, die ihn allein aufrichten und niederwerfen kann; das ist der Grundstein der Seele für jede Befreiung.
Viele versuchen, dem Herrn zu dienen und hoffen, dadurch Ruhe und Frieden für ihre Seelen zu erlangen. Sie hören nicht auf mit dem Dienst und bewerten ihn danach, ob er ihnen die ersehnte Erleichterung bringt … Der Dienst darf nicht durch seine Wirkungen auf mich beeinflusst werden, er muss ausschließlich im Blick auf den Willen Gottes getan werden. Wiederum versuchen andere zu dienen, ohne dazu befähigt zu sein; sie sind bei öffentlichem Auftreten beständig mit sich selbst beschäftigt. Entweder wissen sie nicht, wo sie Ruhe und Frieden finden können, oder, wenn sie beides gefunden haben, wandeln sie nicht in der Kraft, die der Glaube mit sich bringt.
Was wir schätzen, werden wir nicht eher aufgeben, als bis wir etwas Besseres gefunden haben; und der Mensch ist so erfüllt von sich selbst und seinem eigenen Willen, dass er, ehe er die Überlegenheit des Willens Gottes erkennt, weder ein gehorsamer noch ein geeigneter Diener sein kann, d. h., einer, der den Willen und die Absichten seines Herrn ausführt. Dies muss oft erst durch verschiedenartige, schmerzliche Wege erfahren werden. Jona lernte den Gehorsam im Bauch des Fisches, denn er lernte dort, allein auf Gott zu vertrauen, aber der Verlust des Wunderbaums unterwies ihn in dem Willen und der Natur Gottes. Ein von Gott belehrter Diener findet immer einen Weg, sein Werk zu tun, wie schwierig es auch scheinen mag. Je größer die Schwierigkeiten, desto deutlicher muss der Beweis sein, dass unsere Hilfsquellen von anderer Art sind als diejenigen, die gegen uns aufgeboten werden, und das erweist sich sowohl im Kleinen als auch im Großen als wahr.
Welch eine warnende Lehre ist es für uns, zu sehen, wie ein Diener Gottes nach einer so langen Erziehung für das Werk Gottes in einem Augenblick sozusagen die Selbstbeherrschung verliert, und wie er, der durch den Dienst einen so hohen, hervorragenden Platz erlangt hat, vor unseren Augen hinabsinkt. Wir lernen daraus, dass, obschon wir einen Platz öffentlicher Ehrung zurückweisen, wir noch nicht gefeit sind gegen den feineren, aber gefährlichen Fallstrick der Annahme, dass das Andenken an unseren Dienst in irgendeiner Weise zur Ehre Gottes beitragen könnte; denn das hieße, den Dienst als Mittel zur Selbstverherrlichung benutzen, und das muss uns und unserem Hause zum Fallstrick werden.
Ruth
Wenn ein Herz die Wahrheit ergreift, ohne von dem Warum zu wissen, aber mit der Entschlossenheit, sie zu „erwerben, und nicht wieder zu verkaufen“ (Spr 23,23), so können wir gewiss sein, dass sich die Wahrheit dem Herzen weiter offenbaren wird und dass dem, der da hat, „hinzugefügt werden wird.“ (Mt 13,12)
Sei es nun Mann oder Frau, wenn wir nicht in Unterwürfigkeit unter die Wahrheit in geduldigem demütigem, unbeachtetem Dienst als Fremdlinge über die Erde pilgern, so können wir nicht in die Stellung und den Ort der Ruhe eingehen, den unser Boas jeder treuen Ruth im Geiste auch heute darbietet. Je mehr wir Seine Wege mit uns verstehen lernen, je besser werden wir erkennen, wie Er jeden von uns in dieser Weise erzieht: Er belehrt uns, als treu gemäß dem uns geschenkten Licht, darin bis zum vollen Genuss Seiner Liebe zu gelangen.
Samuel
Wenn wir den Zustand des Volkes Gottes zu irgendeiner Zeit verstehen, dann können wir auch erfassen, warum der Diener, der am meisten zum Dienst an diesem Volke benutzt wird, in seinem eigenen Leben und in seinen Umständen für den Dienst zubereitet werden muss. Ein ungeeigneter Knecht, wie willig er auch sein mag, kann nur einen unzulänglichen Dienst leisten. Wir können in der Schrift feststellen, dass die Zubereitung und Erziehung des Dieners immer im Zusammenhang steht mit dem Platz, zu dem er bestimmt ist ihn einzunehmen.
David
Damit wir nun lernen, Seine Zucht an uns sorgfältig und richtig zu beachten und zu beurteilen, legt uns unser treuer Gott die Geschichte Seiner Wege mit anderen niedergeschrieben vor, die den Weg vor uns gepilgert sind. Die Geschichte Davids ist eine eindrucksvolle Illustration jener wunderbaren Zucht und Ermahnung, durch die Gott erzieht, – die Unterwerfung und Beiseitesetzung unserer selbst, um alles zu unterdrücken, was Seiner Gnade und Seinen Absichten zuwiderläuft.
Wenn unser Becher überfließt, sind wir geneigt, auf der Höhe der Freude, die Gottes Güte uns gewährt, uns einen Dienst für Ihn vorzunehmen, zu dem wir gar nicht geeignet sind, obwohl die Absicht durchaus lauter sein mag. Gottes Wort weist uns aber stets unseren richtigen Platz zu.
Hiskia
Nichts ist anziehender und lehrreicher, als die Wege Gottes mit einem Menschen, der – von gleicher Natur und gleichen Gefühlen wie wir – benutzt und befähigt wird, Seinen Willen zu tun. Sie zeigen, wie die Gnade Gottes wirkt und wo sie behindert wird, und wie der Mensch durch sie geformt und bewacht wird. Diese Art der Erklärung lehrt uns, wie Gott einen Menschen in Seinem Dienste verwenden kann und wie ein Knecht fällt, wenn er sich nicht einfach von Gott leiten lässt. Wer einen klaren Begriff von der göttlichen Erziehung bekommen will, muss diese Gesichtspunkte beachten. Die Schrift entfaltet am einzelnen Beispiel Art und Charakter der Umstände, die der Knecht Gottes durchschreiten muss. Beschäftigen wir uns damit näher und beobachten wir die Unterweisungen, die der Einzelne erhält, so gelangen wir zum Verständnis der Gedanken Gottes.
Jesaja
Für eine Zeit wie die heutige ist es lehrreich, die Erziehung zu studieren, der die Propheten des Alten Testaments unterworfen waren. Zweck dieser Erziehung war es, die Wahrheit Gottes unter Seinem Volke neu zu beleben und diesem für den Fall mangelnder Bußfertigkeit das Urteil zu verkünden. Daher war es das Bestreben Satans in jenen Zeiten falsche Propheten einzuschleusen, ebenso wie es heute falsche Lehren gibt.
Auf das Gesicht und das Wort Jehovas folgen nun die persönlichen Erfahrungen des Propheten. Er sieht Jehova in Herrlichkeit, den König, den Herrn der Heerscharen. Das Anschauen dieser Herrlichkeit aber bewirkt die Befähigung zum Dienst.
Jeder Knecht benötigt und empfängt – wenn er darauf wartet – die geeignete Vorbereitung für den Dienst. Wie gut ist es, dass er diesen Dienst nicht kennt. Er würde sonst darüber nachdenken, wie er handeln sollte, statt sich einfach von Gott vorbereiten zu lassen. Das lässt sich immer wieder feststellen. Aber selbst die beste menschliche Vorbereitung und Durchführung eines göttlichen Auftrages reichen nicht hin; es bedarf hierzu der lebendigen Kraft, die Gott allein darreichen kann und die Er dem verleiht, den Er Selbst befähigt und zubereitet hat, auch wenn sich der Diener dessen nicht bewusst ist.
So wird der Knecht des Herrn im Verborgenen durch die Entfaltung der Gedanken Gottes zubereitet, damit er die Dinge gottgemäß zu beurteilen lernt; aber er muss auch persönlich in die zweifache Prüfung eintreten, nämlich in die Todesschwachheit des Menschen in sich selbst und in die furchtbare Macht des Feindes, weil nur der Knecht, der sich diesen beiden Tatsachen praktisch bewusst ist und Gottes Art der Errettung aus ihnen erfahren hat, in angemessener Weise von Seinem Reich und Seiner Macht zeugen kann. Damit der Knecht fähig ist, die ganze Fülle und Größe der Zukunftspläne Gottes völlig zu verstehen, muss er den Tod und den Verfall aller Dinge aufgrund der Macht, die Satan infolge des Falles des Menschen erlangt hat, praktisch erfahren. Wenn er dann auch die Macht der Auferstehung in Gott durch Christus erlebt hat, ist er empfänglich für die Offenbarungen, die Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.
Hesekiel
Der Knecht muss notwendig in Umstände versetzt werden, die ihn mehr befähigen, die Gunst Gottes zu würdigen, die völlig außerhalb und getrennt von allem Irdischen steht.
Er hat nichts, was das menschliche Auge sehen kann, und doch besitzt er alles, was zum Trost und zur Freude des geistlich gesinnten Herzens nötig ist.
Wenn wir uns einige dieser Aspekte mehr bewusst machen und mit Gottes Hilfe umsetzen, sind wir bei der Erziehung in der Schule Gottes schon etwas weitergekommen. Texte von Stoney sind bei www.soundwords.de zu finden.
Jochen Klein
[1] Der biographische Teil ist weitgehend entnommen aus Arend Remmers: Gedenket eurer Führer, Schwelm (Heijkoop-Verlag) 1983, S. 140 ff.
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