Fritz Binde (1867–1921) war Freidenker und Anarchist, Nietzsche-Anhänger und Atheist. Nach seiner Bekehrung las er fünf Jahre lang nach eigener Aussage nur die Bibel. Danach wirkte er als Evangelist und Verkündiger mit großem Segen.
Zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte er das Buch Die heilige Einfalt. Der Titel mutet vielleicht etwas befremdlich an, zumal der Autor als Evangelist intensiv unter Gebildeten wirkte. Was ist seine Absicht? Binde möchte, wie auch der Untertitel nahelegt, zu einem ganz auf Gott gerichteten Glauben auffordern. Im Vorwort zur ersten Auflage schreibt er, dass zu nichts größerer, rücksichtslos entschlossener Glaubensmut gehört als eben zur „heiligen Einfalt“; dass nur das einfältige Eingewurzeltsein in Christus „das verkehrte und verdrehte, durch und durch kranke Geschlecht von heute genesen kann“.
In dem Buch werden 49 Aspekte der „heiligen Einfalt“ auf jeweils 2–5 Seiten (Format A 6) thematisiert, z.B. „Die Notwendigkeit der Einfalt“, „Die Stille der Einfalt“, „Die Enthaltsamkeit der Einfalt“. Dabei wird die „heilige Einfalt“ stets personifiziert, und am Rand sind die Bibelstellen abgedruckt, auf die sich die Gedanken beziehen. Der Stil ist so angelegt, dass die Inhalte eher abstrakt, zugespitzt und allgemeingültig formuliert werden, sodass sie sehr gut als Gedankenanstöße dienen können. Da sie nicht ganz ausdifferenziert werden, besteht zwar manchmal die Gefahr des Missverstehens, was man aber in Kauf nehmen kann (bis auf die Aussage „Es wird aber auch das Gebet um unsträfliche Bewahrung bis zum Ende sein, um Kraft zu haben, jedem Zorngericht Gottes und des Lammes über den Antichrist zu entfliehen und zu stehen vor dem Menschensohn“ – dieses Gericht wird dem wirklich Gläubigen nicht widerfahren).
In Zeiten, wo das Ausdifferenzieren von Inhalten oft so weit geht, dass es sogar im christlichen Bereich kaum noch Themen gibt, die nicht in einer Pro-und-Kontra-Rubrik abgehandelt werden, tut ein Besinnen auf nicht zu differenzierende Inhalte des Wortes Gottes sehr gut. Dabei kann die Lektüre sehr helfen.
Folgendes Gedicht, von dem zu Beginn die meisten Strophen abgedruckt sind, fasst den Inhalt des Buches gut zusammen:
Heil’ge Einfalt, Gnadenwunder,
tiefste Weisheit, größte Kraft,
schönste Zierde, Liebeszunder,
Werk, das Gott alleine schafft!
Alle Freiheit geht in Banden,
aller Reichtum ist nur Wind,
alle Schönheit wird zuschanden,
wenn wir ohne Einfalt sind.
Wenn wir in der Einfalt stehen,
ist es in der Seele licht;
aber wenn wir doppelt sehen,
so vergeht uns das Gesicht.
Einfalt denkt nur auf das Eine,
in dem alles andre steht;
Einfalt hängt sich ganz alleine
an den ewigen Magnet.
Einfalt quillt aus Jesu Wunden
Mit dem teuren Gottesblut.
Wer sie da nicht hat gefunden,
Der ist fern von diesem Gut.
Wem sonst nichts als Jesus schmecket,
wer allein auf Jesus blickt,
wessen Ohr nur Jesus wecket,
wen nichts außer ihm erquickt,
Wer nur hat, was Jesus gibet,
wer nur lebt aus seiner Füll’,
wer nur will, was ihm beliebet,
wer nur kann, was Jesus will,
Wer nur geht auf seinem Pfade,
Wer nur sieht bei seinem Licht,
Wer nur stets verlangt nach Gnade
Und mag alles andre nicht.
Wer ihn so mit Inbrunst liebet,
dass er seiner selbst vergisst,
wer sich nur um ihn betrübet
und in ihm nur fröhlich ist.
Wer allein auf Jesus trauet,
wer in Jesu alles find’t:
der ist auf den Fels erbauet
und ein seligs Gnadenkind.
Wohl dem, der den Herrn lässt wachen,
wohl ihm! Der Herr ist sein Hirt!
Jesus wartet seiner Sachen,
dass man sich verwundern wird.
August Gottlieb Spangenberg (1704 –1792)
Jochen Klein
Impressum | Datenschutz
Copyright 2024 © Jochen Klein
Design & Programmierung: Ideegrafik Kreativagentur GmbH