denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Echte Identität

Wie Lebensprobleme gelöst werden können

Bei einer christlichen Veranstaltung stellte sich dem Autor dieses Buches vor einiger Zeit ein Mann vor, indem er seinen Namen nannte und direkt danach die akademischen Berufe seiner Kinder aufzählte. Dadurch gab er mehr über seine Identität preis, als ihm vielleicht lieb war: Offensichtlich definierte er sich in starkem Maß über ihre Berufstätigkeiten/-erfolge.

Ein Magazin für Jugendliche gab kürzlich ein Themenheft unter dem Titel „Identität“ heraus. In der Einleitung zum Basisartikel hieß es: „Nichts bewegt junge Leute so sehr wie die Frage nach der eigenen Identität. Die Welt ist schnelllebig, die Beziehungen sind oft kurzlebig. Da ist es wichtig zu wissen, wer man eigentlich ist, wo man herkommt und wo es hingeht. Deshalb haben wir uns in dieser Ausgabe auf die Suche nach dem ‚Ich‘ gemacht“.

Wilfried Plock definiert Identität als „die völlige Übereinstimmung eines Individuums oder einer Sache mit sich selbst. Man unterscheidet prinzipiell zwischen der selbst wahrgenommenen Eigen-Identität und der von außen wahrgenommenen Fremd-Identität. Identität definiert einen Menschen als einzigartig und unverwechselbar.“

Bei diesem Thema geht es also offensichtlich um die Suche nach dem Ich, nach dem, was uns ausmacht oder ausmachen sollte. Dazu gehören Nationalität, Kultur, Herkunft, Geschlecht, Charakter, Haupttätigkeiten usw.

Gleich im Vorwort macht der Autor deutlich, dass der beste Ausgangspunkt, um eine gute Identität aufzubauen und zu entwickeln, die Bibel ist: „Jesus Christus kennenzulernen und durch den Glauben an ihn gerettet zu sein, ist der Schlüssel zu einer echten Identität – und damit auch zu einer gesunden Persönlichkeit. Von diesem Standpunkt aus lassen sich viele Lebensprobleme lösen“. Und so soll der Leser mit Hilfe dieses Buches eine Antwort auf die „Wer-bin-ich-Frage“ bekommen.

Ein sehr bekanntes Zeugnis, das dieses Thema gut veranschaulicht, ist ein Gedicht Dietrich Bonhoeffers, das er am 8. Juli 1944 im Militärgefängnis Berlin-Tegel einem Brief an seinen Freund Eberhard Bethge beilegte. Es zeigt die äußere Wahrnehmung anderer in Bezug auf ihn, seine Selbstwahrnehmung, seine Fragen in Bezug auf seine Identität – und letztendlich sein Verwurzeltsein in Gott.

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich trete aus meiner Zelle

gelassen und heiter und fest

wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

 

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,

ich spräche mit meinen Bewachern

frei und freundlich und klar,

als hätte ich zu gebieten.

 

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,

ich trüge die Tage des Unglücks

gleichmütig, lächelnd und stolz,

wie einer, der siegen gewohnt ist.

 

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,

ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,

hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,

dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,

zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,

umgetrieben vom Warten auf große Dinge,

ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,

müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,

matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?

 

Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?

Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler

und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?

Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,

das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

 

Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

 

Nach der Einführung erhält der Leser des Buches zunächst ausführlichere Informationen über den Begriff Identität, seine Entstehung und Entwicklung. Danach ist das Thema die verlorene Identität und wie wir sie wiederfinden können. Schließlich geht der Autor auf die Identität in Christus als Fundament des Christenlebens ein, bevor die seelsorgerlichen und praktischen Auswirkungen davon besprochen werden. Zwei Anhänge vervollständigen das Thema, und zwar A: Ist Selbstliebe biblisch? und B: 33 Aspekte unserer Stellung in Christus.

Ein grundlegender Aspekt der menschlichen Identität findet sich gleich im ersten Kapitel der Bibel: „Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie“ (1. Mo 1,27). Wir Menschen sind also geliebte Geschöpfe Gottes, in seinem Bild geschaffen. Der Schöpfer wollte, dass wir sein Wesen wie ein Spiegel wiedergeben und dass wir Anbeter sind. Vor dem Sündenfall hatte der Mensch seine Identität in Gott. Mit dem Aufkommen des Zweifels und dem Sündenfall wurde diese erschüttert. Eva war mit ihrer Identität nicht zufrieden gewesen, sondern sie wollte sein wie Gott. Dadurch leben die Menschen bis heute mit Unsicherheit in Bezug auf ihre Identität und sind wie Adam und Eva gezwungen, sich eine neue zu suchen. Darüber hinaus sind sie noch immer auf der Suche nach ihrer verlorenen Identität, nach Sicherheit und Bedeutung. So schaffen sich viele Menschen eine falsche Identität, nämlich eine ohne Gott. Zu diesem Zweck kann Geld und Besitz missbraucht werden oder auch der (soziale) Status (gesellschaftliche Position, Bedeutung im Sport usw.). Wird dann das, was die Ersatz-Identität ausmacht, zerstört, kommt es fast zwangsläufig zu einer Lebenskrise.

Der Mensch ist also schon lange auf der Suche nach seiner Identität. Eine gewisse Sicherheit bezog er dabei häufig aus seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, einer bestimmten Schicht u.Ä. Heute in der Postmoderne sprechen wir u.a. von Bastel-Identitäten: In der pluralistischen Gesellschaft muss sich der Mensch seine Identität aus unterschiedlichen Kontexten zusammensuchen, was häufig zu starker Verunsicherung beiträgt.

Vor diesem Hintergrund zeigt der Autor, wie die Identität in Christus das Fundament für unser Leben bilden kann, und formuliert als wichtige Lektion von Paulus: „Wir sind nicht, was wir tun; sondern wir tun, was wir sind! Unsere Identität bestimmt unsere Aktivität. Das gilt für alle Christen. Das Verständnis unserer Identität in Christus ist der Schlüssel für ein siegreiches, reifes Christenleben.“

Wenn wir in der Bibel nach Personen suchen, bei denen das Thema Identität eine Rolle spielt, haben wir eine Fülle von Beispielen, auch mit Bezug auf geschenkte, verlorengegangene und wiederhergestellte Identität. Auch sehen wir beispielsweise in den Evangelien immer wieder, dass Menschen, die wussten, wer sie tatsächlich waren, auch wussten, was sie tun sollten. Das heißt: Die Identität bestimmte ihre Aktivität.

Identität ist ein Thema, das jeden Menschen angeht. Wenn wir durch dieses Buch etwas mehr von unserer tatsächlichen Bestimmung verstehen und etwas weniger nach falschen Idealen schauen, hat sich die Lektüre bereits gelohnt.

Alles in allem also: Ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich mit dem Thema Identität etwas genauer beschäftigen möchten.

Jochen Klein

Wilfried Plock: Echte Identität. Wie Lebensprobleme gelöst werden können. Hünfeld (CMD) 2013, Paperback, 132 Seiten, ISBN 978-3-939833-58-1, 8,50 Euro.
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