denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Wir werden nicht schweigen.

Als Christen für Freiheit und Werte eintreten

Seit dem Beginn des Christentums gibt es (gesellschaftliche) Strömungen, die diesem feindlich gegenüberstehen. Dazu gehören z.B. der römische Kaiserkult und Götterglaube, die Überschätzung des menschlichen Verstandes in Renaissance oder Aufklärung oder auch der Relativismus der Postmoderne. Seit einigen Jahrzehnten ist besonders im westlichen Kulturkreis eine zunehmend problematischer werdende Entwicklung festzustellen, die allgemein als „Neomarxismus“, „Kulturmarxismus“ oder auch „anthropologische Revolution“ bezeichnet wird. Erwin Lutzer benutzt in diesem Buch auch die Begriffe „radikaler Säkularismus“ oder „radikale Linke“. – Was ist damit gemeint?

Der deutsche Herausgeber des Buches fasst es so zusammen: Unter „Kulturmarxismus“ versteht Lutzer „nicht vorrangig die klassischen Prinzipien des Marxismus, etwa die Abschaffung von Privateigentum und die Herstellung von sozialer Gerechtigkeit durch die Maximierung staatlicher Vorherrschaft, sondern vor allem die allmähliche Transformation der Kultur, mit der auch die Veränderung von Moral und Werten einhergeht, teilweise in bewusster Abkehr von traditionell jüdisch-christlichen Wertvorstellungen. Diese marxistisch motivierten ideologischen Bestrebungen sieht er in fünf kulturellen Bereichen wirksam, nämlich im sozialen, politischen, erzieherischen, religiösen und familiären Leben seiner Nation. Es geht ihm um das Aufzeigen der Auswirkungen von linksorientierten Philosophien (z.B. Marcuse) und Weltanschauungen, die sich in verschiedenen Kanälen und Denkzentren der Gesellschaft festgesetzt haben, zu den vorherrschenden Denkweisen, zur ‚öffentlichen Meinung‘ geworden sind und ‚nach vorne‘ drängen.“ Die Folge davon: „Das wiederum löst Prozesse aus, die – aus christlicher Sicht – zu einem bedenklichen Wandel in der Gesellschaft führen werden, der z.T. vor der Gemeinde nicht haltmacht und sie vor enorme Herausforderungen stellt, wenn sie sich diesem Wandel entgegenstellen will.“ Dem Leser werden somit „Mechanismen transparent, die auch in unserer Gesellschaft hier in Deutschland mehr oder weniger zu beobachten sind“ (S. 14).

Um dieses Thema zu entfalten, stellt der Autor in zehn Kapiteln vorwiegend die Entwicklungen in Amerika sowie Grundsätze zum Umgang damit dar. Zunächst widmet er sich den zentralen Kräften, die versuchen, Amerikas Grundwerte zu demontieren, die christlich-jüdische Vergangenheit zu delegitimieren und einer säkularen und gottlosen Gesellschaft Platz zu machen. Er geht dabei auf Ideologien ein, die versuchen, die „Rassen“ in einem endlosen Konflikt zu halten; auf den Trend, konservative und christliche Positionen anzuprangern und mundtot zu machen, auf die Propaganda und Denunziation der linken Meinungsmacher, die zunehmende Sexualisierung der Kinder, auf die Versprechen und die Gefährlichkeit des Sozialismus und die Verbrüderung der Linken mit dem radikalen Islam. Im letzten Kapitel, aber auch bereits am Ende der vorherigen Kapitel formuliert er Leitlinien für einen Umgang der Gemeinde bzw. der Christen mit den Entwicklungen, die auch klare Selbstkorrektur beinhalten.

Wer sollte dieses Buch lesen? Insgesamt ist es sehr flüssig und verständlich geschrieben und enthält viele konkrete Beispiele, aber es verlangt ein grundlegendes Interesse an diesen Themenbereichen und auch eine gewisse Vertrautheit mit einem etwas über die Alltagssprache hinausgehenden Vokabular (wie bei obigem Zitat). Leider wird zu wenig der Konjunktiv verwendet, sodass man hier und da zuerst das Gegenteil dessen versteht, was gemeint ist. Verdienstvoll sind die vielen Fußnoten, in denen Aussagen und Quellen nachgewiesen werden. Ein weiteres zentrales Qualitätsmerkmal ist, dass der Autor versucht, die Sachverhalte und Probleme stark auszudifferenzieren, aber dabei eine klare biblische Position beibehält.

Insgesamt ist diesem Buch eine weite Verbreitung zu wünschen, auch weil es im deutschsprachigen christlichen Bereich kaum etwas zu dieser Thematik gibt.[1] Dass die Situation in Amerika nicht immer mit der in Deutschland übereinstimmt, braucht kaum eigens erwähnt zu werden, ist aber zu bedenken, da manche Aussagen in der dargestellten Dimension nicht auf Deutschland zutreffen (worauf zum Teil auch durch Herausgeberkommentare hingewiesen wird).

Fassen wir zum Schluss einmal die wesentlichen Themen, besonders in Bezug auf Deutschland, zusammen:[2]

  • Schulen und Universitäten wurden und sind zentrale Mittel beim Marsch durch die Institutionen. So können die neomarxistischen Ideen in der Gesellschaft verbreitet und die zukünftigen Verantwortungsträger beeinflusst werden. Da ca. 80 Prozent der Journalisten, die Mehrzahl der Medien und auch viele Filmregisseure eher links orientiert sind, werden diese Ideale auch auf solchen Wegen transportiert.
  • Auflösung traditioneller Geschlechterrollen (und auch des Konzepts Ehe und Familie). Die Familie soll in ein Konzept sexueller Buntheit umgewandelt werden, bei dem „vielfältige Lebensformen Verantwortung füreinander übernehmen“. Ehe wird auf gleichgeschlechtliche Paare ausgeweitet. Gender Mainstreaming wurde 1999 unter einer rot-grünen Regierung zur „Querschnittsaufgabe“ deutscher Politik erklärt. Dieses Denken führt z.B. dazu, dass das Geschlecht als lediglich sozial konstruiert angesehen wird, dass die Begriffe Mann und Frau sinnentleert werden und dabei selbst biologische Komponenten geleugnet werden. Weiterhin wird vermittelt, dass die Frau in der Geschichte dauerdiskriminiert war und dass außerhäusliche Erwerbsarbeit für sie erfüllender sei, während die Hausfrauen- und Mutterrolle oft abgewertet oder lächerlich gemacht wird. In diesen Bereich gehören auch noch die Frühsexualisierung von Kindern, das allgemeine Recht auf Abtreibung, die Maxime der staatlichen Erziehung beginnend vom Säuglingsalter an, aber auch die „Sterbehilfe“ z.B. für Senioren und Menschen mit Behinderung. Dies alles führt zu einer Destabilisierung der Gesellschaft.
  • Vereinheitlichung aller Religionen hin zu einer Einheitsreligion mit Ausrichtung auf die „bunte, offene Weltgesellschaft“; dadurch Zersetzung und Auflösung des Christentums und christlicher Gemeinden. Als Verbündeter gilt dabei häufig der von den Linken umgedeutete und verharmloste Islam.
  • Absolute Werte wie die christlichen werden geleugnet. Verbreitung einer egoistischen, nach kurzfristigem Genuss strebenden Weltsicht.
  • Linke betonen immer wieder, dass öffentliche Räume religionsfrei sein müssten, um weltanschauliche Neutralität zu wahren. Diese „Neutralität“ sieht aber de facto so aus, dass linke Positionen dort der Maßstab sein sollen.
  • Links wird als moralisch gut suggeriert, während biblische Positionen oft als rechts, fundamentalistisch oder gar faschistisch bezeichnet werden.
  • Linke Parteien haben in manchen Bereichen hohe Forderungen in Bezug auf Toleranz, Akzeptanz und Vielfalt, halten sich aber gegenüber Andersdenkenden selbst nicht daran. Dies hat u.a. damit zu tun, dass sie traditionell die Position vertreten, der Zweck heilige manchmal die Mittel. So schrieb Herbert Marcuse schon 1965 in seinem Aufsatz „Repressive Toleranz“, befreiende Toleranz bedeute Intoleranz gegenüber Bewegungen von rechts und Duldung von Bewegungen von links. Was die Reichweite dieser Idee angeht, so müsse sie sich ebenso auf die Ebene des Handelns erstrecken wie auf die der Diskussion und Propaganda, auf Worte wie auf Taten.
  • Pathologisierung oder versuchte Kriminalisierung einzelner Gruppen z.B. durch die Zuschreibung von „Phobien“ oder „Ismen“. Damit wird gerechtfertigt, dass man mit solchen Leuten nicht mehr zu diskutieren braucht, sondern sie ausgrenzen darf, da sie ohnehin keine seriösen Argumente haben. Beispiele hierfür sind „Homophobie“ und „Fundamentalismus“. Pfarrer, die die Botschaft der Bibel ernst nehmen, werden z.B. gerne so kategorisiert, ihre Anhänger manchmal sogar als Faschisten. Ebenso wird in Kirchen und Medien gerne der Ausdruck „umstritten“ für bibeltreue Pfarrer und ihre Position verwendet, kaum aber für bibelkritische, da der linksliberale Mainstream dort schon länger die Oberhand gewonnen hat. Diese Pfarrer sind dann also „rechts“ und damit schmuddelig, anrüchig, moralisch abstoßend. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche sind heute, gerade was die einflussreichsten Leiter angeht, weitgehend neomarxistisch ausgerichtet; in evangelikalen Gemeinden nimmt dieser Einfluss zu.

Der positive Einfluss des Christentums über Jahrhunderte[3] wird also immer mehr zurückgedrängt; Sünde, Unmoral und Verzweiflung nehmen zu. Auf dem Weg dahin ist der Neomarxismus ein Mittel (neben anderen). Dieses Buch hilft, mehr dagegen gewappnet zu sein.

Jochen Klein

[1] Neu Ralf B. Bergmann: Die freie Gesellschaft und ihre Feinde. Stuttgart (Verlag des Professorenforums) 2021, Rezension auf denkendglauben.de.

[2] Ein ausführlicher Artikel über den Neomarxismus in Deutschland ist auf www.denkendglauben.de zu finden.

[3] Vgl. dazu Alvin J. Schmidt: Wie das Christentum die Welt veränderte und Vishal Mangalwadi: Das Buch der Mitte. Wie wir wurden, was wir sind. Die Bibel als Herzstück der westlichen Kultur, Rezensionen auf www.denkendglauben.de.

Erwin Lutzer: Wir werden nicht schweigen. Als Christen für Freiheit und Werte eintreten. Dillenburg (CV) 2021, Paperback, 318 Seiten, ISBN 978-3-86353-773-9, 14,90 Euro.
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