denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Das Unglück an der Seilbahn

Diese Geschichte hat sich vor etwa 80 Jahren an der Eibacher Schule ereignet. Einer der beteiligten Jungen hat die Geschichte selbst erlebt und erzählt.

Lass los!

„Nun haltet euch unterwegs nicht auf, macht keinen Unfug und kommt sofort wieder in die Schule zurück!“ Mit diesen Worten ermahnte uns unser Lehrer, und dann fuhren wir vom Schulhof ab.

Wir waren mit fünf Jungen und sollten auf einem kleinen Handwagen allerlei Gerümpel aus der Schule zum Müllplatz bringen. Insgeheim freuten wir uns riesig, denn der Müllplatz lag weit oberhalb unseres Dorfes im Hochwald, und wir durften nun für mindestens eine gute Stunde der Schule den Rücken kehren.

Als wir unser Wägelchen an der Müllgrube geleert hatten, verspürten wir durchaus noch keine Lust, wieder heimzufahren. Wir strichen im Wald umher, erkletterten Bäume und bewarfen uns mit Tannenzapfen. Dabei gerieten wir immer tiefer in den Wald hinein. Die Schule und die Worte des Lehrers waren vergessen.

Dann lichtete sich der Wald vor uns, und wir standen auf halber Höhe am Rande eines riesigen Steinbruchs. Die Wand zu unseren Füßen fiel viele Meter fast senkrecht ab. Kaum aber hatten wir den Bruch und seine Umgebung erspäht, als etwas anderes unsere ganze Aufmerksamkeit erregte: Hoch über unseren Köpfen war eine Seilbahn in Betrieb. Zwar hatten wir sie alle schon oft vom Tal aus gesehen, aber so nahe waren wir ihr noch nie gewesen. Die kleinen Kästchen brachten Eisenerz von einer Grube waldaufwärts zum Hochofen in den Nachbarort hinunter. Zunächst schauten wir den Kästchen zu. Wir zählten die vollen und die leeren. Wir hörten das leise Summen der Anlage und sahen die starken Stahlseile leicht schwingen.

Dann kam in uns der Wunsch auf, mitzufahren. Einer sprach es aus, und alle stimmten erregt zu. Nach kurzer Beratung stiegen wir den Hang hinauf bis zum nächsten Mast, der fast dreißig Meter über dem Steinbruch stand. Es war ein Gittermast, und das Erklettern bereitete uns keine Mühe.

Wenig später fuhren wir dann auch wirklich mit. Im Abstand von einigen Metern hängten wir uns an das dünne Zugseil, das an die Kästchen angekoppelt war, und ließen uns mitziehen. Weil der Mast fast auf dem Gipfel des Berges stand, war er nicht hoch. Das Seil führte uns nur zwei, drei Meter über dem Boden mit, und wir konnten uns, ohne Schaden zu nehmen, wieder ins Gras fallen lassen.

So trieben wir es eine ganze Weile. Immer wieder erkletterten wir den Gittermast bis zur Laufrolle, über die das Zugseil lief, hängten uns hinter dieser Rolle ans Seil und wurden mitgenommen. Frei baumelten wir über der Erde, strampelten mit den Beinen und schrien vor Freude und Übermut, dass es bis weit in den Wald hinunterschallte.

Dann veranstalteten wir einen Wettkampf: Jeder wollte am längsten mitfahren. Erst wenn wir keine Kraft mehr in den Armen hatten, sprangen wir ab und markierten die erreichte Entfernung vom Mast mit einem Tannenzweig. Unser Spaß war riesengroß. Wer dachte da noch an die Heimfahrt!

Wieder einmal hatten wir den Mast erklettert und strampelten hintereinander am Seil. Und wieder mussten wir einer nach dem andern aufgeben. Nur Günther hielt aus. Vom Boden aus sahen wir zu. Wir brüllten vor Begeisterung, denn so lange hatte sich bis dahin noch keiner halten können.

„Bravo, Günther! Klasse! Klasse!“ – Plötzlich packte mich lähmendes Entsetzen. Ich hatte Günthers Augen gesehen. Sie starrten weit aufgerissen in Fahrtrichtung. Mit der Entfernung vom Mast hatte auch der Abstand des Zugseils zum Boden zugenommen, und Günther wagte nicht mehr zu springen! Und unaufhörlich schwebte er weiter, und unerbittlich wuchs die Gefahr. Nun maß die Höhe über dem Boden schon fünf, sechs Meter, und noch immer schwebte Günther weiter. Wir stolperten ihm nach und schrien um die Wette. Aber wir schrien nicht mehr aus Begeisterung, sondern aus panischer Furcht.

Nie im Leben werde ich jene Augenblicke vergessen. Schon näherte sich Günther dem oberen Rand des riesigen Steinbruches. Wir alle wussten, wie tief dieser war und dass die Seilbahn danach die Straße und dann ein ganzes Tal in großer Höhe überquerte. Das Gelände vor uns fiel schon stärker ab, und Günthers Aussicht auf Rettung schwand dahin.

„Lass dich los, Günther! Lass dich looos!“ Oh, wie haben wir gerufen, geschrien, gebettelt!

Und dann fiel er. Das hohe Gras und der weiche Boden milderten zwar den Aufprall, aber Günther wurde doch verletzt. Er konnte nicht mehr gehen. Wir suchten uns im Wald mehrere Stangen, bauten mit viel Mühe daraus eine Trage und schleppten unseren Freund bis zu unserem Handwagen am Rande des Waldes. Auf dem Heimweg sprach keiner ein Wort. Jeder von uns hing seinen Gedanken nach. Mit erheblicher Verspätung trafen wir in der Schule ein.

Dieses Erlebnis kommt mir nicht aus dem Sinn.

So weit der Autor. Lässt sich nicht das Leben vieler Menschen mit dem Unglück Günthers vergleichen? Sie halten an etwas fest, das zu ihrem Schaden ist,  und wollen nicht davon lassen, bis sie nicht mehr davon lassen können und es zu spät ist. Sie schweben dem Abgrund zu und springen nicht rechtzeitig ab.

Wie kann dem begegnet werden? Wir Menschen sind oft nicht in der Lage, das zu tun, was richtig und gut ist, sondern wir verfehlen immer wieder das Ziel. Die Bibel bestätigt das und macht klar, dass das Hauptproblem jedes Menschen darin liegt, dass er von Natur aus ein Sünder ist und gesündigt hat (vgl. Römer 3,10–12.22.23). „Sündigen“ bedeutet ursprünglich „das Ziel verfehlen“. Gemeint ist das von Gott für den Menschen bestimmte Ziel, nämlich so zu sein und zu leben, wie Gott es möchte. Taten, die dem entgegenstehen, wären z.B. lügen, stehlen, Unrecht tun, habgierig und egoistisch sein, neiden, streiten, verleumden, sich berauschen, huren und okkulte oder abergläubische Praktiken ausüben (vgl. Römer 1,18–32). Dies zu tun – und auch das Prinzip der Sünde – zerstört die Beziehung zu Gott und die Beziehung zu Menschen.

Doch es gibt die Möglichkeit, die Sünden vergeben zu bekommen, Frieden zu finden, von Bindungen befreit zu werden und gelingende Beziehungen leben zu können. Weil Gott die Menschen liebt, ist sein Sohn Jesus Christus vom Himmel auf die Erde gekommen, am Kreuz an unserer Stelle für unsere Sünden gestorben und dann auferstanden. Durch seinen Tod hat er den besiegt, „der die Macht über den Tod hat, das ist den Teufel“ (Hebräer 2,14). Jedem, der sich als Sünder erkennt und an Jesus Christus glaubt, also ihm vertraut, verspricht er: „Kommt her zu mir, alle, die ihr euch abmüht und belastet seid, und ich werde euch Ruhe geben“ (Matthäus 11,28). „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Johannes 6,37). Und: „Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen“ (Johannes 5,24). Dieses Angebot darf jeder im Glauben annehmen. Wer es jedoch ablehnt, wird einmal für seine Sünden zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden, nämlich ewig von Gott getrennt sein, das ist die Hölle (2. Thessalonicher 1,8.9). So gilt es, das Seil der Sünde loszulassen und ewiges Leben in Frieden und Freude dafür einzutauschen.

Text aus Dein Ziel 1 mit freundlicher Genehmigung der Christlichen Schriftenverbreitung, Hückeswagen.

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