denkend glauben

Jochen Klein

Texte und Materialien zum christlichen Glauben

Gott im Leid begegnen.

Timothy Keller, Gott im Leid begegnen. Gießen (Brunnen) 2015. Gebunden, 416 Seiten, ISBN 978-3-7655-0928-5, Euro 25,00.

„Egal, wie gut wir vorbeugen, egal, wie gut wir unser Leben gestalten, egal, was wir alles anstellen, um reich, gesund, beruflich erfolgreich und in Freundschaft und Familie glücklich zu sein – irgendwann kommt etwas, das unser schönes Leben beschädigt, ja ruiniert. Mit noch so viel Geld, Macht und Planung können wir es nicht verhindern, dass Tod, Krankheit, zerbrochene Beziehungen, finanzielle Katastrophen und hundert andere Übel über uns hereinbrechen. Das menschliche Leben ist furchtbar zerbrechlich, ausgeliefert an Kräfte, die zu stark für uns sind.“ Dies schreibt Timothy Keller in seinem neuen Buch Gott im Leid begegnen. So viel sei schon zu Beginn gesagt: Die Lektüre ist in Teilen recht anspruchsvoll, aber sie lohnt sich!

Doch nun von vorne: Gott im Leid begegnen enthält zwischen der Einleitung und dem Epilog drei etwa gleich umfangreiche Kapitel, die als zentrales Bild des Leidens den „Schmelzofen“ heranziehen: 1. Den Schmelzofen verstehen; 2. Dem Schmelzofen entgehen; 3. Mit Gott durch den Schmelzofen gehen. Keller dazu: „Eine der Hauptstraßen, die von dem bloßen Bücherwissen über Gott zur persönlichen Begegnung mit ihm als einer lebendigen Realität führen, ist der Schmelzofen der Not … Die Bibel verspricht uns nirgends, dass es in diesem irdischen Leben ein ‚Happy End‘ geben wird oder alle unsere Fragen beantwortet werden. Aber die Beispiele [im Buch] zeigen, wie Menschen des Glaubens mit Gottes Hilfe durch verschiedene Schmelzöfen der Not hindurchgegangen sind, und wollen uns Mut machen, selbst in den dunkelsten Stunden Gottes Gegenwart zu erkennen. Vor allem in den dunkelsten Stunden.“

Und er konkretisiert: „Im ersten Teil des Buches werden wir uns den ‚Schmelzofen‘ von außen anschauen. Wir werden das Phänomen des menschlichen Leidens untersuchen und wie verschiedene Kulturen, Religionen und Epochen der Geschichte versucht haben, den Menschen im Umgang mit Leid zu helfen. Wir werden uns auch das klassische philosophische ‚Problem des Bösen‘ anschauen und wie man versuchen kann, es zu lösen … Im zweiten Teil des Buches verlassen wir die mehr theoretischen Fragen und wenden uns dem zu, was die Bibel über das Leiden zu sagen hat … Im dritten Teil dieses Buches wird es am praktischsten. Die Bibel sieht das Bestehen im ‚Schmelzofen des Leidens‘ nicht als eine Sache der richtigen Technik. Leid kann uns nur deshalb läutern und nicht kaputt machen, weil Gott mit uns durch das Feuer geht … Jedes Kapitel in diesem Teil kreist um eine Grundstrategie, wie man im Schmelzofen des Schmerzes Gottes Hand sucht.“

Im dreieinhalbseitigen Epilog fasst Keller Aspekte des Behandelten in zehn Punkten zusammen. Hier in Kurzform: 1. Wir müssen uns über die verschiedenen Arten des Leidens klar werden. 2. Wir sollten uns über die Unterschiede in Charakter und Temperament zwischen uns und anderen Leidenden klar sein. 3. Es ist unerlässlich, dass wir in unserem Schmerz und unserem Leid rücksichtslos ehrlich gegenüber uns selbst und gegenüber Gott sind. 4. Wir dürfen Gott unser Herz ehrlich ausschütten, aber wir sollten auch seiner Weisheit und seiner Liebe vertrauen. 5. Wir müssen beten. 6. Wir müssen diszipliniert in unserem Denken sein. 7. Wir sollten bereit zur Selbstprüfung sein. 8. Wir müssen uns um das rechte Lieben bemühen. 9. Wir sollten uns nicht der Gemeinschaft mit anderen Christen entziehen. 10. Es gibt einige Varianten des Leids.

Wer diese gut 400 Seiten konzentriert liest, hat auf jeden Fall großen Gewinn. An die beschreibend-referierende Art im ersten Kapitel muss man sich zwar zunächst gewöhnen, da der Autor sich oft der Wertungen enthält; die christliche Position kommt dann aber klar zum Ausdruck. Diese setzt der Autor offensichtlich auch bei seinen Lesern voraus, wie seine Formulierungen deutlich machen. Hier wäre etwas mehr Differenzierung wünschenswert, bei den referierenden Teilen etwas mehr Gewichtung. Auch einige Beispiele sind missverständlich und unglücklich gewählt, so wenn Keller z.B. schreibt, dass Obama bei einem Amoklauf davon sprach, Gott habe die Kinder „heimgeholt“, oder wenn er vom Umgang mit seinem homosexuellen Bruder berichtet.

Insgesamt kann man es aber empfehlen, sich dieser Lektüre intensiv zu widmen.

Jochen Klein

PDF herunterladen