Gleason L. Archer: Schwer zu verstehen. Bielefeld (CLV) 2005, gebunden, 587 Seiten, ISBN 3-89397-656-6, EUR 19,90.
„Seit der Zeit der frühesten Gnostiker, mit denen Paulus zu kämpfen hatte, bis zum Aufstieg des Deismus im 18. Jahrhundert“ habe es in der christlichen Gemeinde „keine offenen Zweifel an der Unfehlbarkeit der Schrift“ gegeben (S. 22), so Gleason L. Archer. Als Ausnahme führt er Irrlehrer an, die sich dann von der Gemeinde losgesagt hätten. Anders sei es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen. Orthodoxe Evangelikale und die Gegner der biblischen Unfehlbarkeit hätten klare Position eingenommen. Die „Krisentheologen“ und Liberalen oder Modernisten hätten die Lehre der biblischen Unfehlbarkeit offen abgelehnt. Unter ihrem Einfluss plädierten Evangelikale heutzutage für eine eingeschränkte Unfehlbarkeit der Bibel, was es ihnen ermögliche, scheinbare Ungereimtheiten, Widersprüche und Diskrepanzen einzugestehen und an der biblischen Unfehlbarkeit festzuhalten, ohne sich vor Historikern und Wissenschaftlern lächerlich zu machen. Der Autor schreibt selbst: „Es ist die Hauptaufgabe dieses Buches, die Anfechtbarkeit dieser Anschuldigung zu beweisen, indem die angeblichen Diskrepanzen untersucht werden und im Gegenzug aufgezeigt wird, dass diese Anschuldigung angesichts aller relevanten Beweise nicht fundiert ist“ (S. 38).
Um dem Leser die Brisanz und den Horizont des Themas deutlich zu machen, stellt der Autor an den Anfang des Buches eine über dreißigseitige Einführung mit dem Titel „Die Bedeutung der biblischen Unfehlbarkeit“. Danach werden in der Reihenfolge der biblischen Bücher Fragen behandelt, die immer wieder Anknüpfungspunkte für Bibelkritiker waren oder die als schwer verständlich gelten (gemäß dem Originaltitel New International Encyclopedia of Bible Difficulties). Z.B. „Theistische Evolution“, „Fand Rahabs Lüge Gottes Zustimmung?“, „Lehrt Matthäus 22,39 eine fromme Selbstliebe?“ oder „Irrte sich Judas, als er nichtbiblische Quellen zitierte?“Archer formuliert den Anspruch, für den durchschnittlichen Laien verständlich zu schreiben, nimmt aber selbst einige Fachbegriffe davon aus. Diese finden wir z.B. in der Einleitung unter „Arten von Übertragungsfehlern“ auf einigen Seiten ausgeführt. Sie sind aber für den durchschnittlichen Leser wenig relevant.
Dieses Buch kann besonders dann eine gute Hilfe sein, wenn man z.B. in der Jugendarbeit tätig ist und sich mit zum Teil bibelkritischen Fragen auseinandersetzen muss, die in den Schulen diskutiert werden. Der Anspruch des Autors „Das Literaturverzeichnis soll jenen helfen, die ein tiefer gehendes Studium bestimmter Textstellen oder Themen wünschen“ (S. 17), dürfte allerdings schwer erfüllbar sein, da ausschließlich englische Literatur angegeben wird, die zum Teil über fünfzig Jahre alt ist. Da das Buch im Original 1982 erschien, sind auch keine neueren Werke aufgeführt. Mit dieser Tatsache geht noch ein weiteres Problem einher: Wenn im Text von aktuellen archäologischen Funden die Rede ist und dann die 1970er Jahre genannt werden, klingt dies nicht sehr überzeugend. Vielleicht könnten Herausgeber solche Passagen tilgen, nachdem sie dieses Vorgehen im Vorwort angekündigt hätten. Und für ein auf den deutschen Sprachraum abgestimmtes aktuelles Literaturverzeichnis wären sicher auch viele dankbar.
Alles in allem: Ein durchaus sinnvolles Buch, das Fragenden eine Menge Informationen bereitstellt und zum Ziel hat, das Vertrauen in die Bibel zu stärken.
Jochen Klein
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