August Hermann Francke wurde am 22.3.1663 in Lübeck als Sohn eines Rechtsanwalts geboren und er starb am 8.6.1727 in Halle (Saale). Er war drei Jahre alt, als Herzog Ernst der Fromme seinen Vater als Hof- und Justizrat nach Gotha berief und erst sieben Jahre alt, als sein Vater starb. Für seine damals 35-jährige Mutter war die Erziehung der Kinder keine leichte Aufgabe. August Hermann erhielt seine Schulbildung durch Privatlehrer. Nach einjährigem Besuch des Gymnasiums in Gotha erlangte er mit 14 Jahren die Reife zum akademischen Studium, blieb aber noch zwei Jahre daheim und widmete sich Privatstudien.
1679 begann er dann sein Studium. Dabei absolvierte er ein philosophisches Grundstudium, machte sich mit der griechischen Sprache vertraut und legte die Anfangsgründe eines theologischen Studiums. Weiterhin beschäftigte er sich unter anderem mit hebräischen Sprachstudien sowie mit der englischen und französischen Sprache. Im Frühjahr 1684 zog er nach Leipzig, erwarb dort 1685 die Magisterwürde und begann mit Vorlesungen. Hier erlernte er auch noch die italienische Sprache. Mit ein paar Freunden gründete er im Juli 1686 das „collegium philobiblicum“ zu dem Zweck, gemeinsam die Bibel zu lesen und in ihrer wissenschaftlichen und praktischen Auslegung gefördert zu werden. 1687 erlebt er, besonders durch folgenden Text, seine Bekehrung „… damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen (Johannes 20,31).
Er setzte weiterhin seine Bibelstudien fort und gewann durch seine Vorlesungen zusehends mehr Einfluss. Nach zwischenzeitlichen Querelen in Leipzig und dann in Erfurt berief ihn Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg am 22.12.1691 als Professor der griechischen und hebräischen Sprache an der in Halle entstandenen Universität und zugleich als Pfarrer an der Georgenkirche in Glaucha, der Vorstadt von Halle. 1698 wurde er Professor der Theologie und 1715 Pfarrer an der Ulrichskirche in Halle.
Mit ganz geringen Mitteln begann er um Ostern 1695 eine Armenschule. Er berichtet: „Ich ließ in der Wohnstube des Pfarrhauses eine Büchse festmachen und darüber schreiben: 1. Joh. 3,17: ‚So jemand der Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes bei ihm?’ und darunter 2. Kor. 9,7: ‚Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.’ Da etwa ein Vierteljahr die Armenbüchse in der Pfarrwohnung befestigt gewesen, gab eine gewisse Person auf einmal 4 Taler 16 Groschen hinein. Als ich dies in die Hände nahm, sagte ich mit Glaubensfreudigkeit: ‚Das ist ein ehrliches Kapital, davon muss man etwas Rechtes stiften; ich will eine Armenschule anfangen.’ Ich fuhr im Glauben zu und machte noch desselbigen Tages Anstalt, dass für 2 Taler Bücher gekauft wurden, und bestellte einen armen Studenten, die armen Kinder täglich zwei Stunden zu unterrichten, dem ich wöchentlich 6 Groschen dafür zu geben versprach, in der Hoffnung, Gott werde indessen, da ein paar Taler auf diese Weise in acht Wochen ausgegeben würden, mehr bescheren.“
Da sich niemand um die Waisenkinder kümmerte, dachte Francke daran, ein Waisenhaus zu bauen, obwohl er keinen Pfennig Geld hatte. Aber er vertraute auf die Hilfe Gottes, und bald schenkte ihm ein Mann 500 Taler, damit er von den Zinsen ein Waisenkind unterhalten könnte. Statt eines Kindes wurden ihm vier gebracht. Da behielt er alle und begann im Vertrauen auf Gott den Bau eines Waisenhauses. Sein Glaube wurde nicht enttäuscht: „Von Woche zu Woche, von Monat zu Monat hat mir der Herr zugebröckelt, wie man den kleinen Küchlein [Kücken] das Brot zubröckelt, wie es die Notdurft erfordert“, schreibt Francke.
Auf dem Giebel des Haupthauses steht ein zur Sonne strebender Adler mit der Inschrift: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler“ (Jesaja 40,31). Auf Franckes Denkmal im Waisenhaus steht nur der Satz: „Er vertraute Gott.“ Das ist das Geheimnis seiner Schaffenskraft und die Erklärung für das Wachstum seiner Anstalten. Im Sommer 1696 eröffnete er das Pädagogium, eine Art Ritterakademie für Söhne vornehmer Familien, die für das Universitätsstudium vorbereitet werden sollten. Im September 1697 erfolgte die Gründung einer Lateinschule für künftige Studierende und 1698 die einer höheren Mädchenschule. 1701 wurde der Bau des Waisenhauses vollendet. Unterricht und Aufsicht darin übertrug Francke armen Studenten, für die er 1696 einen Freitisch gegründet hatte. Hinzu kam 1707 noch das „Seminarium praeceptorum selectum“, dessen Mitglieder unter Gewährung eines Freitisches und mancherlei anderer Vergünstigungen für den Unterricht an den höheren Schulen seiner Anstalt vorbereitet wurden. So wuchs in verhältnismäßig kurzer Zeit das große Werk der „Franckeschen Stiftungen“. Das Unternehmen wurde in den nächsten Jahren durch die von Heinrich Julius Elers begründete Buchhandlung, eine Apotheke und mancherlei Stiftungen und staatliche Vorrechte wirtschaftlich sichergestellt. In Franckes Todesjahr (1727) wurden in seinen Anstalten mehr als 2200 Kinder von 167 Lehrern, 8 Lehrerinnen und 8 Inspektoren unterrichtet, und 250 Studenten hatten dort ihren Freitisch mit der Gelegenheit und Verpflichtung zur Mitarbeit. Der Geist dieser Anstalten war der Geist Franckes: „Die Ehre Gottes muss in allen Dingen, aber sonderlich in Auferziehung und Unterweisung der Kinder, als der Hauptzweck immer vor Augen sein.“
Um die Hebung des Volksunterrichts und die Waisenerziehung, um die Förderung des Deutschen, des Real- und Anschauungsunterrichts, um die Einführung und Verbreitung der höheren Mädchenschulen und die fachmännische Ausbildung der Lehrer hat sich Francke verdient gemacht. Weiterhin ist er auch der Vater der deutschen evangelischen Mission.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass durch seinen Einfluss reicher Segen hervorkam, ist Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760). Dieser besuchte das Pädagogium der Franckeschen Stiftungen, hatte persönlichen Kontakt zu August-Hermann-Francke und spielte eine bedeutende Rolle beim Aufbau der Mission damals.
Was war also für August Hermann Francke zentral? Die Bedeutung der Bibel, die Ehre Gottes; die Kraft, die Gott gibt, wenn man alles von ihm erwartet, und das absolute Vertrauen auf Gott. Diese Basis für seine Schaffenskraft und die Erklärung für das Wachstum seiner Anstalten kann uns auch heute noch als Vorbild dienen.
Jochen Klein
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