Ernst Schultze-Binde:
Fritz Binde. Ein Anarchist wird Evangelist der Gebildeten
Bad Wildbad (Verlag Linea) 2012
Gebunden, 238 Seiten
ISBN 978-3-939075-52-3
Euro 11,95
Fritz Binde wurde am 30. Mai 1867 in Heldburg in Thüringen als Sohn eines Uhrmachers geboren. Er lebte zuletzt bis zu seinem Tod am 10. September 1921 in Riehen bei Basel.
Sich mit seinem Leben zu beschäftigen ist u.a. deshalb interessant und nützlich, weil er schon seit seiner Kindheit von der Suche nach dem Lebenssinn und nach Gott bestimmt war. Er war emotional oft stark hin- und hergerissen, also ein Suchender. Nach seiner Umkehr wirkte er dann mit großem Segen.
In jungen Jahren wollte er gerne seinen künstlerischen Anlagen gemäß die Kunstakademie in Düsseldorf besuchen. Dazu kam es aber nicht. Er begann zunächst eine Lehre bei einem Dekorationsmaler, musste aber vor deren Ende zu seinem Vater in die Uhrmacherlehre. 1885 ging er wegen der gewalttätigen Art seines Vaters von zu Hause fort und fand in Wetzlar, Wuppertal und Wald bei Solingen Arbeit. Immer wieder hatte er bisher die Hand des „unbekannten Gottes“ gespürt und war auch punktuell auf ihn hingewiesen worden. In Wetzlar wurde er dann mit dem Zeugnis eines Mannes konfrontiert, der ihm die Bedeutung der Bibel und die von Jesus Christus deutlich zu machen versuchte. Er reagierte mit massiver Ablehnung. In Wald war er bei dem frommen Uhrmacher Kortenhaus beschäftigt, dessen ebenfalls gläubige Tochter Anna er später heiratete. Bindes negative weltanschauliche Einstellung und Entwicklung brachte der Familie aber viel Leid, was wohl auch am Tod des Schwiegervaters erheblichen Anteil hatte. Seine Suche führte Binde hier in einen freidenkerischen Leseverein. 1890 betrieb er dann in Vohwinkel ein von den Schwiegereltern errichtetes Geschäft.
Bei seinen Studien widmete er besonders der Lektüre materialistischer Theorien viel Zeit. Mehrmals verwarf er sein vorheriges Denken und beschäftigte sich sehr intensiv mit neuen Theorien. Dazu gehörte auch das Studium sozialistischer Literatur und der Kampf für die sozialistischen Ideale. Er schrieb Aufsätze zu diesem Thema, wurde ein gefeierter Redner in Parteiversammlungen der SPD, und ihm wurde eine Reichstagskandidatur angeboten. Danach wandte er sich der Philosophie Nietzsches und Kants zu und wurde dadurch zum Verfechter von Selbsterziehung und Selbstbefreiung, was dazu führte, dass er die SPD verließ und sich schließlich als Anarchist verstand. Dann wandte er sich wieder mehr der Kunst zu, schrieb Theaterkritiken und Rezensionen und pries die Kunst in Vorträgen als große Erlöserin der Menschheit. Seine rastlose Suche und existenzielle Probleme setzten ihm allmählich psychisch so zu, dass er arbeitsunfähig wurde.
Er selbst schreibt: „Als Kind hatte ich Jesus wohl irgendwie liebgewonnen, doch blieb es bei einem eher unbestimmten Gefühl, weil mir niemand die wahre Bedeutung Jesu für mein Leben nahebrachte. Dennoch nahm ich meine Konfirmation kindlich ernst, weinte viel und nahm mir vor, meine Sünden nie wieder zu tun. Bis zu meinem 33. Lebensjahr ging ich meinen eigenen Weg und wolle von Jesus nichts wissen. Schuld daran war weniger die Begierde nach den sogenannten Freuden des Lebens, mich faszinierte vor allem die Weisheit der Welt. Mit achtzehn Jahren hatte ich schon so viel gelesen, dass für den Glauben an Gott kein Raum mehr blieb.“[1] Da Binde als Jugendlicher bei seiner Suche nach dem „erhabenen Menschen“ nicht fündig geworden war, hatte er beschlossen, selbst einer zu werden.
In dieser seelisch besonders schwierigen Phase las er 1902 Kalenderzettel des Neukirchener Kalenders. Die beiden Verse „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde“ (1. Joh 1,7) und „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler“ (Jes 40,31) sprachen ihn sehr an. Er geriet in schwierige innere Kämpfe, bis er Der Weg dem Lamme nach von Georg Steinberger in die Hände bekam. Dadurch kam er zur Umkehr, denn es „verwandelte mir Jesus von Nazareth, den vornehm-überlegenen, heroischen Weisen, in Jesus Christus, das demütig dienende, hingeschlachtete Lamm Gottes, das der Welt Sünde und auch meine Sünde ans Kreuz trug“. Er ging mit seiner Familie zu Georg Steinberger in die Schweiz, und von ihm persönlich geprägt wurde er dann Prediger und Evangelist, besonders unter Gebildeten.
Herzbeschwerden hatten Binde seit jeher geschwächt. Davon wussten viele nichts und beneideten ihn um seine scheinbar starke Konstitution. Das lag daran, dass Gott ihm immer die für seinen Dienst nötige Kraft gab. Er selbst sagte in diesem Zusammenhang: „Das Kind Gottes braucht nicht mit Naturgesetzen, es darf mit Gnadengesetzen rechnen, und diese stehen weit über jenen. Nicht auf Symptome achten bei Krankheiten, sondern auf den Herrn. Die Symptome beobachten erschwert das Glauben und lenkt von Gott ab.“ Im Laufe der Zeit bekam er noch Diabetes. 1921 versagte sein geschwächter Körper und er starb nach kurzer schwerer Krankheit am Morgen des 10. September 1921 in seinem Haus in Riehen. Am 13. September wurde er dort auf dem Friedhof beigesetzt.
1911 hatte er in einer Krankenzeit gedichtet:
O Herr, aus Krankheitsnöten
Möcht’ ich jetzt zu dir beten
Und innig zu dir flehn:
Willst Du mich wieder stärken
Zu neuen Glaubenswerken,
So will ich froh aufstehn.
Willst du mich lassen liegen,
So will ich mich dreinfügen
Und selig heimwärts gehen.
Dann hilf, o Herr, den Meinen,
Es sind ja auch die Deinen,
Und lass sie dich verstehn.
Wollst stärken sie und gründen,
Dass sie Dich alle finden,
Und wir uns selig wiedersehn.
Und 1920:
Die Jahre steigen,
Bald wird sich’s zeigen,
Was Du an mir getan:
Es gehet himmelan.
Die vorliegende Biographie verfolgt nicht in erster Linie das Ziel, äußere Entwicklungen und Leistungen Bindes darzustellen, sondern es geht „vor allem um seine innere Entwicklung; das Unverstandensein eines Menschen, der das Gute sucht; das Erleben von zerbrochenen Idealen und enttäuschten Illusionen und den Kampf eines Menschen mit seiner eigenen Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit. Vor allem jedoch zeigt sein Leben, was aus einem Menschen unter der Leitung des göttlichen Geistes werden kann, und wie Gott ein Leben gegen allen Anschein neu machen und verändern und sich der Friede aus der himmlischen Welt in einem Menschenleben auswirken kann“ (aus dem Vorwort des Verlages). Dies darzustellen gelingt dem Verfasser gut, nicht zuletzt weil er immer wieder Originaldokumente von Fritz Binde zu Wort kommen lässt und auch seine Schwächen angemessen verarbeitet. Ungefähr die Hälfte des Buches nimmt Bindes Geschichte bis zu seiner Umkehr ein. Danach stehen unterschiedliche Aspekte und Bereiche seines Dienstes (z.B. Mission und Seelsorge) im Vordergrund. – Alles in allem also ein lesenswertes Buch.
Jochen Klein
[1] Vgl. dazu sein Selbstzeugnis Vom Anarchisten zum Christen (auch im Internet einsehbar).
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